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Politischer Vatermord

Von Walter Hämmerle

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Denkmalschutz ist nur selten ein nachhaltiges politisches Zukunftskonzept. Den Preis zahlen meistens die nachsichtigen Nachfolger.


Den richtigen Zeitpunkt für eine akkordierte Machtübergabe zu finden, ist nur die eine Hälfte der Herausforderung. Womöglich sogar die leichtere, auch wenn das Michael Häupl anders sehen sollte. Mindestens so wichtig, wahrscheinlich aber noch viel wichtiger ist die Frage, wie sich der Nachfolger gegenüber dem Vorgänger positioniert.

Solche Hofübergaben schrammen mitunter nur knapp an der Seligsprechung derjenigen vorbei, die da den Gang aufs Altenteil antreten. Manchmal gelingt ihnen auch nicht einmal das. Und dann werden die Neuen Gefangene des überlangen Schattens ihrer ins Übermenschliche entrückten Vorgänger.

Dabei ist ein klarer, für alle erkennbarer Bruch nie wichtiger als nach einer langen, gerne auch als erfolgreich empfundenen Ära eines prägenden Politikers. Zumindest wenn der oder die Neue selbst eine Ära prägen will. So gesehen ist die Betonung von Kontinuität und Beteuerungen zum "nur weiter so" vor allem eines: die Fortsetzung der bestehenden Machtverhältnisse nur mit einem neuen Gesicht.

Diese Strategie hat in Österreich erst einmal für die Nachfolger bei Wahlen wirklich funktioniert, und das auch nur sehr, sehr kurzfristig: Als Jörg Haider wenige Monate vor der Kärntner Landtagswahl tödlich verunglückte, verwandelte das Kärntner BZÖ die Wahl in ein Referendum darüber, dass alles so bleibt, wie es unterm Jörg war. Das war kurzfristig äußerst erfolgreich - mit dem toten Haider als Quasi-Spitzenkandidaten erzielte die Retortenpartei fast 45 Prozent -, mittelfristig allerdings fatal, weil das Pyramidenspiel früher oder später einstürzen musste.

Der politische Vatermord dagegen ist ungleich schwieriger und für beide Seiten zweifellos außerordentlich belastend. Aber Abnabelung und Lossagung gehören zum psychischen wie politischen Erwachsenwerden. Und je größer die Väter, desto notwendiger.

In Niederösterreich hat sich die ÖVP entschieden, die nächsten Wahlen in memoriam Erwin Pröll zu bestreiten. Jedenfalls vermeidet es Johanna Mikl-Leitner, die neue Landeshauptfrau von Österreichs größtem Bundesland, beharrlich, auch nur die kleinste Korrektur an den Entscheidungen ihres so bewunderten wie polarisierenden Vorgängers vorzunehmen. Nicht einmal dort, wo eine neue Linie tatsächlich auf der Hand liegen würde.

Etwa in der Frage der Nicht-Veröffentlichung von Förderungsbeschlüsse der Landesregierung. Hier ist nicht die Frage, ob diese künftig veröffentlicht werden, sondern nur wann. Dass dies nicht bereits der Fall ist, kann nur als - in ganz Österreich nach wie vor weitverbreitetes - Transparenzdefizit im Angesicht der Steuerzahler bezeichnet werden. Warum also nicht selbst in die Offensive gehen und etwas Nichterklärbares von sich aus für beendet erklären? Zumal ein solcher Schritt am Denkmal Prölls allenfalls einen Kratzer hinter- die neue an der Spitze aber in die politische Autonomie entlassen würde.

Doch Denkmalschutz rangiert in Niederösterreich vor Zukunftssicherung. Das ist ein ziemlich kurzsichtiges Konzept. Zumal der Bruch ohnehin kommen muss. Wenn nicht jetzt, dann eben später - und unter ungleich höheren Schmerzen.