Zum Hauptinhalt springen

Die Grundstruktur bleibt anarchisch

Von Walter Hämmerle

Kommentare

In der Politik sind alle Mittel zum Zweck, das gilt für Parteien genau so wie für ihre Chefs.


Der feuilletonistische Hang zur Übertreibung ist der österreichischen Innenpolitik und ihrer Berichterstattung fest eingeprägt. Das muss ein später Nachhall auf Karl Kraus sein, als die Lage hoffnungslos, aber wenigstens nicht ernst war.

Das ist der Kontext, in dem nun die ÖVP als Führerpartei in den Händen von Sebastian Kurz beschrieben wird, die zur Gefahr für die real existierende Demokratie in Österreich werden könnte.

Daraus spricht ein tieferes Missverständnis über die Natur politischer Parteien in einem – trotz aller Mängel – tadellos demokratischen Land wie Österreich. Die tragenden Parteien, und dazu zählen neben SPÖ und ÖVP längst auch FPÖ, Grüne und Neos, werden nach wie vor und überwiegend von Werten und Weltanschauungen zusammengehalten. Natürlich sind sie auch Vehikel zum Machterhalt und Machterwerb (was auch sonst?), und als solche häufig pragmatisch wie opportunistisch, wo es die Gelegenheit dazu gibt, und manchmal auch gnadenlos rücksichtslos.

Da gibt es sehr wohl Unterschiede zwischen den Parteien, aber die sind, wenn sie denn von moralischen Skrupeln getragen sind, eher eine Frage der Persönlichkeiten als der Weltanschauung.

Davon abgesehen, hängt das Innenleben einer politischen Partei im Wesentlichen von ihren machtpolitischen Perspektiven ab. Grundsätzlich aber ist jede politische Bewegung in ihrer Grundstruktur anarchisch.

Das mussten schon die stärksten Parteiführer am eigenen Leib erleben: Michael Häupl erfährt das aktuell gerade in Wien; und sogar Erwin Pröll musste innerparteiliche Widerstände überwinden, um seine Wunschnachfolgerin durchzusetzen. Jörg Haider musste mehr als nur einmal Aufstände gegen seine Volten im Keim ersticken und aufmüpfige Kritiker ausschließen. Am Ende zog er selbst aus seiner eigenen Partei aus und gründete eine neue, die heute längst das Zeitliche gesegnet hat. Nicht einmal Frank Stronachs parteigewordene Ruhestandsbeschäftigung ergibt sich widerspruchslos in ihr Schicksal, wobei die Abgeordneten nicht einmal Mitglieder ihrer eigenen Bewegung sind.

Diese im Kern der Parteien angelegte Widerständigkeit ist deshalb quasi ein Naturgesetz politischer Macht, keine Frage von irgendwelchen Statuten. Das Verhältnis der Parteien zu ihren Vorsitzenden ist dabei grundsätzlich opportunistisch in beide Richtungen: Emmanuel Macron hat, wie Jörg Haider, (allerdings aus unterschiedlichen Motiven) ihre Parteien hinter sich gelassen, weil sie ihre Nützlichkeit verloren hatten. Der häufigere Fall ist, dass sich die Parteien ihrer Chefs entledigen, wenn diese vom Stimmenbringer zum Ballast geworden sind.

Dieses Schicksal ist bisher noch jedem Parteichef widerfahren, die wenigsten führen bei ihrem Abgang selbst Regie.

Römischen Kaisern und siegreichen Feldherrn flüsterte beim Triumphzug ein Sklave oder Priester, während er den Lorbeerkranz über dessen Haupt hielt, die Worte "Memento moriendum esse!" ins Ohr. "Bedenke, dass du sterben musst." Keine schlechte Idee für die Jubelposen nach Wahlparteitagen.