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Viel zu verlieren, nichts zu gewinnen

Von Walter Hämmerle

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Die SPÖ will ihr Verhältnis zur FPÖ noch vor der Wahl klären - eine Lose-lose-Strategie.


Es gehört zu den wesentlicheren Schönheitsfehlern der österreichischen Demokratie, dass die Bürger bei Nationalratswahlen die sprichwörtliche Katze im Sack wählen. Welchen Kanzler in welcher Koalition das Land bekommt, entscheiden erst wochenlange Verhandlungen zwischen den Parteien. Der Wunsch der Wähler ist dabei Nebensache, nicht zuletzt aus dem Grund, dass es fast unmöglich ist, aus dem Wählervotum eine konkrete Regierungskonstellation abzuleiten.

Und so kann es passieren, dass zum Beispiel besonders viele Wähler am 15. Oktober ihr Kreuz bei Christian Kern oder Sebastian Kurz machen, um Platz eins für Heinz-Christian Strache zu verbauen, und genau dadurch eine Regierungsbeteiligung der FPÖ wahrscheinlicher machen. Als Juniorpartner werden wohl weder SPÖ noch ÖVP die FPÖ zur Kanzlerpartei küren, die Chancen für eine Koalition mit den Blauen steigt aber, wenn Rot oder Schwarz die Kanzlerkrone tragen.

Die Kosten für eine "Offen-für-alle"-Strategie sind schwer zu kalkulieren, weil situationsabhängig: In der Regel profitieren die Großen davon, weil es ihnen zusätzliche Koalitionsoptionen eröffnet; allerdings hat die SPÖ in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, dass man mit "Nicht-mit dieser-FPÖ" ganz wunderbar die Nummer-eins-Position verteidigen kann.

Während die ÖVP - ganz gegen ihre traditionellen Werte - koalitionstechnisch nach allen Seiten offen ist, überlegt die SPÖ, von ihrem Nein zu einer Zusammenarbeit mit der FPÖ endgültig abzurücken. Ein "Kriterienkatalog" für mögliche Partner soll die FPÖ wieder bei Bedarf zur Koalitionsoption machen. Kanzler Kern hat diesbezüglich noch vor dem Wahltag Klarheit angekündigt.

Ist dieser Schritt der SPÖ jetzt besonders schlau oder doch eher besonders ungeschickt?

Das hängt, wie immer, davon ab, wem man die Frage stellt. Denn wie immer bei solchen strategischen Fragen spielt die je eigene politische Überzeugung eine wesentliche Rolle. Aus Sicht jener Wähler, die auf Klarheit pochen, wie es die SPÖ mit der FPÖ hält, ist Kerns Selbstverpflichtung zu begrüßen.

Auf der anderen Seite hat Kern eine Frage in den Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt, bei der er vor Wahlen nichts gewinnen und nur verlieren kann. Ob die SPÖ mit der FPÖ koalieren können soll oder nicht, spaltet die heimische Sozialdemokratie in einem Ausmaß wie keine andere. Diese Frage vor dem Wahltag auf die eine oder andere Weise zu klären, wird sich fatal auf die Mobilisierungskraft jener auswirken, die mit der getroffenen Entscheidung nicht einverstanden sind.

Und eine Garantie für innerparteiliche Ruhe ist auch das nicht, wie die jüngste Ankündigung von Wiens Bürgermeister Michael Häupl zeigt, der im Fall einer Öffnung hin zur FPÖ eine Mitgliederbefragung einfordert. Ein solcher taktischer Schritt funktioniert in einer weitgehend homogenen Landespartei wie der SPÖ Burgenland, wo eine solche Befragung grünes Licht für Rot-Blau ergab, aber nicht in einer in dieser Frage gespaltenen Bundespartei.

Koalitionsdebatten sind das liebste Hobby von Politikaficionados und Funktionären, den meisten Wählern geht es um Inhalte und Personen.