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Und ewig locken die alten Männer

Von Walter Hämmerle

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Die Grünen sind eine seltsame Partei. Am erfolgreichsten sind sie, wenn sie ihre Prinzipien brechen. Das haben sie mit der FPÖ gemeinsam.


Die Grünen sind eine seltsame Partei. Sie leben und werben für eine - nach ihren Überzeugungen - bessere Welt voller bunter Diversität, in der Ethnien, Lebens- und Liebesformen gleichberechtigt neben- und miteinander bestehen. Die besten Wahlergebnisse schaffen sie jedoch, wenn sie mit bodenständigen alten weißen Männern antreten. Dann hat die 10-Prozent-plus-Partei plötzlich eine realistische Chance auf Platz eins, und manchmal - siehe Alexander Van der Bellen - sogar auf die absolute Mehrheit.

Dass den Grünen die Machtfrage nicht völlig egal ist, hat gerade erst die Innsbrucker Stadtpartei bewiesen, als sie in einer Kampfabstimmung den eher bürgerlichen Georg Willi zum Spitzenkandidaten für die Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr kürte. Der 58-Jährige setzte sich gegen die eher linke 48-jährige Sonja Pitscheider durch, die als amtierende Vizebürgermeisterin eigentlich die naheliegende Kandidatin gewesen wäre. Aber mit dem erfahreneren Willi glauben die Grünen, eine wirkliche Chance auf das Bürgermeisteramt in der Tiroler Landeshauptstadt zu haben. Bereits bei den letzten EU- und Nationalratswahlen waren die Grünen in Innsbruck die stärkste Kraft.

Wenn andere Parteien ihre Kandidaten nach deren Siegchancen aufstellen, ist das eine Nicht-Meldung; und es soll ja auch schon große und ehrwürdige Parteien gegeben haben, die Personen auf den Schild gehoben haben einzig und allein aus dem Grund, weil sie sich mit ihnen ein besseres Ergebnis erhofften als mit einem anderen Kandidaten. Nur bei den Grünen verwundert die Anwendung dieser bodenständigen Politiklogik nach wie vor.

Wahrscheinlich, weil sie jedes Mal eine innere Überwindung anzeigt, bei der ein Hauch von Verrat an den eigenen Prinzipien mitschwingt, wenn die Personen an der Spitze nicht den reinen Traum von einer anderen Welt ganz persönlich widerspiegeln. Denn dann geraten sie unter Rechtfertigungsdruck - vor allem gegenüber ihrem eigenen Selbstverständnis.

Dass die eigenen Funktionäre (die Basis will in der Regel durchaus gewinnen) als Gralshüter der programmatischen Identität einer Partei agieren, ist keine Besonderheit der Grünen. Aber offensichtlich besteht bei der Ökopartei ein überdurchschnittlicher Bedarf, den programmatischen Kern (oder jedenfalls das, was die Wähler dafür halten) durch die Personalauswahl mehrheitsfähig zu machen. In diesem einen Punkt haben die Grünen viel mit der FPÖ gemeinsam.

Beide Parteien sind die programmatischen Pole, zwischen denen die zentrale politische Debatte - jene um unsere Identität als Einzelne und als Gemeinschaft - oszilliert. Und beide Flügelparteien benötigen, um Wahlen gewinnen zu können, Persönlichkeiten an der Spitze, die ihrem Kern die programmatische Spitze und Unerbittlichkeit nehmen. Anders als die FPÖ finden sich bei den Grünen etliche Kandidaten dafür. SPÖ und ÖVP müssen dagegen ihrer fleischgewordenen Unverbindlichkeit durch Personen mit Kanten neues Profil geben.

Für die kommenden Nationalratswahlen setzen die Grünen, überrascht vom plötzlichen Rücktritt Eva Glawischnigs, mit Ulrika Lunacek auf ihren politischen Kern.