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Talking about a Revolution

Von Walter Hämmerle

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Österreich, das Land ohne Revolution, ist eine Erfindung. Allerdings waren stets Berufspolitiker die Träger.


Jetzt werden also die Wahlen vom 15. Oktober über die Zukunft - ach was: über das Schicksal dieses Landes - entscheiden. Ob Österreich endgültig in den Abgrund taumelt, an dem es angeblich schon die längste Zeit entlangtorkelt. Oder eben doch noch vor der Machtübernahme der Kräfte der Finsternis bewahrt werden kann. Darunter geben es die Parteien und ihre jeweiligen Fanzonen nicht.

So oder so: Die Entscheidung über Rettung oder Untergang wird auf die Schultern der Bürger gehievt, was in einer Demokratie schließlich nur recht und billig sein kann. Es ist nur so, dass die historische Erfahrung für Österreich eine andere Lektion bereit hält.

Dass dieses Land heute geworden ist, wie es nun einmal heute ist, führen Bescheidwisser gerne auf den Umstand zurück, dass es eben nie eine erfolgreiche Revolution gegeben habe. Nicht im 18. Jahrhundert, als erst die britischen Kolonien in Nordamerika und dann Frankreich den Lauf der Geschichte veränderten; nicht im 19. Jahrhundert, weder im Vormärz noch 1848, als Liberalismus, Sozialismus und Nationalismus ein neues Denken eröffneten; und auch nicht im 20. Jahrhundert, weder 1918 noch 1945, und nicht einmal 1968.

Warum also sollte sich diese lange Liste der gescheiterten und unversuchten Aufbegehren der Bürger nicht auch im 21. Jahrhundert nicht weiter fortsetzen? Eben.

Österreich auf die konterrevolutionäre Rolle zu reduzieren, entspricht aber nicht ganz den historischen Tatsachen. Es gab sehr wohl erfolgreiche Revolutionen in diesem Land, nur wurden diese von Berufspolitikern initiiert und getragen. Über den revolutionären Charakter der Weichenstellungen von Maria Theresia und Joseph II. mag man diskutieren, spätestens aber 1918 erlebt Österreich seine erste erfolgreiche Revolution. Und dabei handelte es sich um eine Revolution der Parlamentarier.

Die deutschsprachigen Abgeordneten der im cisleithanischen Reichsrat vertretenen Länder haben sich, wie es das Manifest von Kaiser Karl vom 16. Oktober 1918 vorgesehen hat, schon wenige Tage später als "provisorische Nationalversammlung von Deutsch-Österreich" konstituiert. Es waren diese Abgeordneten, die in ihrer neuen Rolle am 30. Oktober 1918 die Monarchie aufgelöst haben, indem sie für sich die oberste Staatsgewalt beanspruchten. Diese Handlungen waren im Vergleich zum Status quo ante mindestens so revolutionär wie die Machtergreifungen von Arbeiterräten in Bayern oder Ungarn - und vor allem sehr viel nachhaltiger.

Und man könnte auch trefflich darüber streiten, ob nicht auch 1945 eine Revolution stattgefunden hat. Nämlich in Form der Unabhängigkeitserklärung vom 27. April, mit der ein Dutzend Politiker aus den Reihen der soeben neu begründeten SPÖ und ÖVP sowie der KPÖ im von den Sowjets eroberten Wien die Initiative für die Wiederauferstehung Österreichs an sich gerissen haben, bevor noch der Zweite Weltkrieg beendet war.

So gesehen ist es schlüssig, auf die Politiker und Parteien zu blicken, wenn es wieder um eine Weichenstellung für Österreich geht. Ob das Parlament derzeit die Kraft dazu hat, darf bezweifelt werden.