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Stolz und Verachtung

Von Walter Hämmerle

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Der Kampf gegen "die da oben" ist politisch hoch profitabel. Am Ende steht doch wieder nur: eine neue Elite.


Man kann die Krise der repräsentativen Demokratie, die wir Wahl um Wahl erleben, als Geschichte eines Aufstands lesen: Die Ausgeschlossenen, die Sprachlosen stehen auf gegen jene Eliten, die sie für ihre ökonomische wie soziale Vernachlässigung verantwortlich machen. Das sehen vor allem jene Spekulanten des politischen Geschäfts so, die zum Sturm auf die Bastionen der Eliten blasen. Mit dem Versprechen, dass im Fall des Sieges die Herrschaft der Eliten endlich vorbei sei.

Ein Ende der Elitenherrschaft, geht das überhaupt? Die Wissenschaft hat noch keinen Beleg gefunden, dass so etwas schon einmal stattgefunden hätte. Tatsächlich ist auch die Elitentheorie überzeugt, dass vielleicht eine Elite durch eine andere gestürzt werden kann, dass es aber der Masse nie gelingen wird, an deren Stelle zu treten. Der deutsche Politologe Herfried Münkler schließt daraus, "dass der Populismus eine besonders raffinierte Strategie bei der Aufrechterhaltung der Elitenherrschaft ist".

Wenn man sich die Bilanzen der bisherigen Anti-System-Parteien, also jetzt die FPÖ und einst die Grünen, diesbezüglich ansieht, könnte man zum Schluss kommen, dass Münkler mit seiner These durchaus richtig liegt. Allerdings hat sich die Natur dieses Aufstands verändert. Irgendwann haben nämlich die Verachteten begonnen, die Geringschätzung der Eliten in Stolz umzumünzen. Bisher war es meistens so, dass "die da oben", egal wie verhasst, doch ein Vorbild für "die da unten" blieben. Nun findet eine bewusste Abgrenzung statt, und eine provokante dazu.

Der neue Stolz der Vernachlässigten zeichnet sich dadurch aus, die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln und Verhaltensweisen der Eliten zurückzuweisen. Jörg Haider hat damit in den 1980er Jahren in größerem Stil angefangen, und seitdem hat sich noch keiner seiner Epigonen gefunden, der bereit gewesen wäre, in seinen Kampagnen auf eine Kampfansage gegen die politische Korrektheit zu verzichten. Es ist ja auch tatsächlich zu verlockend, die Waffen der Mächtigen gegen diese selbst zu richten.

Der Aufstand der wirklichen und vermeintlichen Unterprivilegierten erinnert auf den ersten Blick an die Selbstermächtigung des Proletariats am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Wille zur Befreiung aus der Unmündigkeit hatte damals zur Bildung einer Subkultur der Arbeiterbewegung geführt mit Bildungsvereinen, Bibliotheken, Lesezirkeln, Druckereien, Musikvereinen samt Initiativen zur Eindämmung von Alkohol und anderen Übeln der Zeit.

Der Erfolg dieser sozialdemokratischen Subkultur führte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu ihrem schleichenden Niedergang. Und schließlich wurde, getreu den Vorhersagen der Elitentheorie, das Führungspersonal der Sozialdemokratie geräuschlos vom Rest der bürgerlichen Elite absorbiert.

Dass auch aus dem aktuellen Aufstand der Unzufriedenen irgendwann eine Bewegung zur Selbstermächtigung erwächst, ist mehr als unwahrscheinlich, zumindest ist bei den neuen Anti-Eliten-Projekten nichts Derartiges zu erkennen.

Worum es entgegen aller politischen Revolutionsrhetorik geht, ist ein simpler Austausch der Eliten.