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Mehr Prävention sexualisierter Gewalt ist auch im Sport gefragt

Von Tamara Arthofer

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Tamara Arthofer
Tamara Arthofer ist Sport-Ressortleiterin.

Es ist der prominenteste Verdachtsfall des Kindesmissbrauchs im österreichischen Sport der jüngeren Vergangenheit: Die Ikonenstellung, die Doppelolympiasieger Peter Seisenbacher inne hatte, die Anklage unter anderem wegen schweren sexuellen Missbrauchs in seiner Funktion als ehemaliger Jugendtrainer eines Wiener Judovereins, dann die spektakuläre Flucht und die nunmehr in der Festnahme in Kiew gipfelnde Jagd der Behörden auf den gefallenen Star - für den die Unschuldsvermutung gilt - haben das Zeug zum Krimi. Doch hinter jedem Missbrauchsfall stecken tragische persönliche Geschichten der Betroffenen, die freilich nicht nur, aber eben auch im Sport regelmäßig geschrieben, aber noch immer zu selten erzählt werden. Aktuell steht etwa ein heimischer Volleyballtrainer unter Verdacht, mehrere Kinder missbraucht zu haben, auch international häuften sich zuletzt die Fälle. Im vergangenen Dezember wurde bekannt, dass Kinder und Jugendliche im englischen Fußball über Jahrzehnte hinweg und quer durch alle Ligen massiv von sexualisierter Gewalt betroffen waren, die Polizei geht von mehreren Hundert möglichen Opfern aus, der nationale Verband sprach von der "größten Krise, die es im englischen Fußball je gegeben hat"; den US-Turnsport ereilte zuletzt ein Skandal ähnlichen Ausmaßes.

Die Schlussfolgerung, der Sport wäre von dieser Problematik besonders betroffen, ist freilich eine falsche: Die - wenigen - Studien, die es dazu gibt, legen dies nicht nahe, und die Arbeit, die die überwältigende Mehrheit der großteils ehrenamtlichen Trainer und Funktionäre tagtäglich leistet, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dennoch bedarf es hierbei einer besonderen Sensibilisierung und Aufklärungsarbeit. Schließlich ist Grenzsetzung gerade dort, wo Vorbildwirkung, Vertrauens- und Autoritätsverhältnis sowie Körperlichkeit miteinander einhergehen wie in kaum einem anderen gesellschaftlichen Bereich, eines der wesentlichsten Themen für alle Beteiligten. Mittlerweile gibt es auch in Österreich Präventionsinitiativen und Broschüren, wie etwa von der Kinder- und Jugendanwaltschaft ("Sexuelle Übergriffe - bei uns doch nicht") sowie vom Sportministerium ("Für Respekt und Sicherheit - gegen sexualisierte Übergriffe im Sport"), die in enger Kooperation mit der Bundessportorganisation, den Verbänden und der Anlaufstelle "100 Prozent Sport" erstellt wurde.

Alle diese Initiativen sind gut und wichtig. Sie müssen nur auch bei den Betroffenen ankommen - damit diesen die Scham genommen wird, ihre Geschichten zu erzählen. Auch dann, wenn jene von Peter Seisenbacher einmal aus den Schlagzeilen verschwunden sein wird.