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Schlampige Verhältnisse

Von Walter Hämmerle

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Kanzler Kern legt sich mit dem Boulevard an. Über ein Problem, das sich die Politik selbst erschaffen hat.


Es passiert nicht alle Tage, dass sich der Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzende am Höhepunkt eines Wahlkampfs mit zwei der drei auflagenstarken Boulevardblätter des Landes anlegt. Christian Kern hat sich nun dazu entschlossen. Einen Persönlichkeitstest der "Kronen Zeitung" für die Spitzenkandidaten hat er wegen angeblicher Lächerlichkeit abgebrochen, der Gratiszeitung "Österreich" eine diffamierende Kampagne vorgeworfen und die Partei-Inserate gestrichen (nicht jedoch die der SPÖ-geführten Ministerien).

Der Krach lenkt die Scheinwerfer einer breiteren Öffentlichkeit auf ein heikles Thema der Zweiten Republik: das Verhältnis zwischen Politik und Medien. Selbiges ist zwangsläufig ein Besonderes; die Krux liegt darin, dass sich die beiden Sphären noch nie streng voneinander trennen ließen und zunehmend weiter verschwimmen. Das ist ein generelles Problem, das in Österreich allerdings besonders akut ist. Und weil sich im Grunde genommen alle, ausnahmslos alle, in diesem System bewegen, steht jede grundsätzliche Kritik und nüchterne Analyse der schlampigen Verhältnisse unter dem Verdacht eigener Betroffenheit.

Die Wurzel allen Übels ist: Journalismus ist in dieser Republik nicht, oder jedenfalls nur schwer, ökonomisch nachhaltig zu betreiben. Das ist kein Naturgesetz, sondern das konkrete Ergebnis einer konkreten Medienpolitik über Jahrzehnte hinweg; wobei man ehrlicherweise dazu sagen muss, dass die technologischen Revolutionen der letzten zehn Jahre das Dilemma noch massiv verschärft haben. Diese ökonomische Schieflage ist Gift für eine Branche, deren Ruf davon abhängt, mit dem Hauptgegenstand ihrer Berichterstattung, der Politik und Wirtschaft, auf souveräner Augenhöhe zu verkehren.

Das ist der eine Aspekt des Problems. Der andere liegt darin, dass die Politik sich stets willig der Versuchung hingegeben hat, einzelne Medien für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Im Gegenzug für die Gewährung von Wettbewerbsvorteilen aller Art.

Die Gattung der Gratiszeitungen würde es etwa ohne die wohlwollende Begleitung durch die Institutionen der Stadt Wien nicht, oder jedenfalls nicht in dieser Form geben. Das spiegelt sich natürlich auch in der Berichterstattung wider. Der politische Aufstieg Werner Faymanns etwa, der es bis zum Kanzler der Republik gebracht hat, ist ohne Wissen um dessen dichte mediale Vernetzung nicht sinnvoll zu erfassen. Und der Treibstoff, der diese und alle anderen politisch-medialen Beziehungen am Laufen hält, heißt Steuergeld.

Zu diesen strukturellen Machtverhältnissen gesellen sich dann noch die persönlichen Freund- und Feindschaften, die jedoch selten streng von ihren ökonomischen Bedingungen getrennt werden können. Sie sorgen immerhin für ein gewisses Maß an emotionaler Unberechenbarkeit in einer ansonsten strikt interessengetriebenen Beziehung.

Das eigentliche Wunder besteht darin, dass es trotz dieser Rahmenbedingungen ziemlich viel ziemlich guten Journalismus in diesem Land gibt - und das quer durch alle Formate und Kanäle. Dass es auch anders geht, dafür hat die Politik selbst gesorgt.