
Die Geschichte der blau-schwarzen Beziehungen gäben den Stoff ab für einen wunderbaren Roman, wenn die beiden Parteien zwei Menschen aus Fleisch und Blut wären. Aus solchen Menschen bestehen ÖVP und FPÖ zwar auch, aber eben nicht nur. Zwischen ihnen steht eine lange gemeinsame Geschichte voller Brüche und Brücken.
Wer es versteht zuzuhören, wenn dieser Tage Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache mit ihren Teams eine Koalition verhandeln, kann manchmal sogar Versatzstücke dieser wechselvollen Geschichte in gar nicht so wenigen Wortmeldungen heraushören. Dabei geht es wie in jeder Beziehung um die Grundbedingungen des Zusammenlebens, die entscheiden, ob eine Partnerschaft scheitern oder funktionieren wird: um Vertrauen, die Akzeptanz von Eigenwilligkeiten und Spleens, um Neid und Egomanie sowie den Respekt vor den Grenzen des Zumutbaren für den jeweils anderen.
Schon das erste Treffen in der Zweiten Republik stand unter keinem guten Stern. Mit der Gründung des VdU 1949 beginnt der lange Marsch der durch den Nationalsozialismus delegitimierten Freiheitlichen zurück in die Republik. Vom Start weg betrachten SPÖ und ÖVP die neue Partei als Mittel zum Zweck für das eigene Fortkommen. So kommt es, dass die ÖVP den VdU als Gefahr für eine Spaltung des bürgerlichen Lagers sieht - und die SPÖ genau deshalb das Vorhaben unterstützt. Der Konkurrent eines Konkurrenten ist eben immer auch ein möglicher Partner.
Ungeachtet der ÖVP-Bedenken haben die neuen Freiheitlichen um Herbert Kraus eigentlich ein Ziel, das den Bürgerlichen gefallen müsste: Er will eine linke Mehrheit verhindern. Und trotzdem freut sich die SPÖ über die neue Partei. Österreichs Politik ist also bereits recht kompliziert, als sie noch ganz übersichtlich zu sein scheint.
Doch die FPÖ bleibt vorerst im äußersten rechten Eck. Als in Deutschland eine sozialliberale Koalition regiert, springt die FPÖ auf diesen Zug auf und bringt sich als Mehrheitsbeschaffer für die SPÖ in Stellung, was schließlich mit der blau-roten Koalition von 1983 politische Früchte trägt.
Jörg Haider macht ab 1986 aus der FPÖ eine Partei ganz eigener Art. Er bekämpft die Schwarzen und lockt trotzdem die ÖVP-Wähler, er gibt den Anti-Sozialisten und macht den SPÖ-Wählern linke Angebote. Diese FPÖ ist nicht zu fassen. Bis es sie an den Fliehkräften von Schwarz-Blau beinahe zerreißt. Seitdem kennt die FPÖ den Preis des Scheiterns.
Strache und sein Team wissen, dass sie einen solchen Höllenritt nicht noch einmal überleben. Für die FPÖ geht es nun darum, doch ihre Regierungsfähigkeit zu demonstrieren. Dieser Druck schimmert dieser Tage ungeachtet des ansonsten überbordenden Selbstvertrauens immer wieder durch. Die bisherige Leichtigkeit der Politik ist verflogen.
Haider wusste, auch wenn er es dann nicht wahrhaben wollte, dass der Regierungseintritt seine Partei ein Drittel der Wähler kosten würde. Strache und sein Team wollen die FPÖ in der Regierung als 20-Prozent-Plus-Partei etablieren. Das ist wahrscheinlich der bisher beste Hinweis, wie die FPÖ regieren will. Für die ÖVP macht es diese Vorgabe mit Sicherheit nicht leichter.