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Verniedlichende Toilettentüren

Von Judith Belfkih

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Ein hippes Wiener Szenelokal. Das Essen ist asiatisch, natürlich gibt es vegane Varianten beinahe aller Speisen. Die Getränke sind bio, das Personal trägt Bart und Haube, das Design ist schlichtes Understatement, es herrscht das allgemeine Du-Wort - egal ob wirklich jung oder innerlich junggeblieben. Man ist schließlich alles, aber nicht spießig. Auf den mit Plakaten verklebten Toilettentüren steht lässig in Handschrift "Männer" und "Mädels". Um die Geschlechtertrennung der Waschräume zu kennzeichnen, durchaus funktional. Aber ist das noch lässig?

Jetzt ist das natürlich eine Toilettentüre. Die Aufschrift erfüllt ihren Zweck. Und doch tut sie mehr. Sie sagt etwas über das aktuelle Frauenbild der urbanen, coolen, gebildeten Mittelschicht.

Dass hier "Mädels" und nicht "Frauen" steht, ist nicht alleine dem Jugendwahn geschuldet. Von Burschen fehlt jede Spur. Sich als Frau auch jenseits der 40 als Mädchen zu bezeichnen und zu inszenieren, ist ein nur vordergründig harmloses Geplänkel. Es ist ein Diminutiv, eine verbale Verniedlichungs- und Verharmlosungsform. Mädel ist kein Substitut für Frau, auch kein Symbol für Jugend, Frechheit oder Unbeschwertheit, es ist eine Verkleinerung - an Ernsthaftigkeit, Verantwortung und Kompetenz. Es macht Frauen kleiner, als sie sind - und als die Männer auf der Nebentüre.

Es ist nur eine Toilettentüre in einem Szenelokal. Wahrscheinlich sogar von einer Frau beschriftet. Und doch ist es viel mehr. Es ist Sprache. Und die hinterlässt mit jeder einzelnen unhinterfragten Anwendung Spuren in der Wirklichkeit. In einer Welt, an deren Fallstricken gerade Frauen aktuell etwas ändern möchten.