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Jonglieren mit Flüchtlingszahlen

Von Martyna Czarnowska

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Die EU-Kommission will ein Umsiedlungsprogramm als Erfolgsgeschichte darstellen - den Zwist um die Verteilung von Asylwerbern lindert das nicht.


"Endlich die gleiche Sprache": Dass EU-Ratspräsident Donald Tusk Lob aus dem Kabinett in Warschau erhält, kam in den letzten zwei Jahren so gut wie nie vor. Wurde die gemäßigt konservative Partei des polnischen Ex-Premiers doch von der nationalkonservativen Fraktion PiS (Recht und Gerechtigkeit) an der Regierungsmacht abgelöst. Und aus deren Reihen hagelte es meist Kritik am politischen Rivalen, auch wenn dieser mittlerweile in Brüssel tätig ist. Doch der neue, diese Woche angelobte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hatte am Rande des Gipfeltreffens mit seinen EU-Amtskollegen diesmal lobende Worte für Tusk parat. "Wir freuen uns, dass er in unserer Sprache zu reden begonnen hat", befand er.

Hintergrund ist die Debatte um eine EU-Flüchtlingspolitik, die Tusk erneut angeheizt hat. Seit gut zwei Jahren schwelt in der Union der Streit um die Aufnahme und Umverteilung von Asylwerbern, die vor allem in Griechenland und Italien ankommen. Ein mögliches Quotensystem bezeichnete der Ratspräsident als "unwirksam", wofür er von einigen westeuropäischen Staaten Schelte und von manchen Osteuropäern, die einen Verteilungsschlüssel von Anfang an abgelehnt haben, Applaus erhielt. In Österreich wandte sich übrigens der wahrscheinlich künftige Bundeskanzler, Sebastian Kurz, gegen die Kritik des scheidenden Regierungschefs Christian Kern an Tusk. Der Pole urteile richtig, dass Flüchtlingsquoten nicht funktionieren, meinte Kurz. Daher sei vor allem ein ordentlicher Schutz der EU-Außengrenzen nötig. Was der ungarische Premier Viktor Orban seit Jahren betont.

In seiner Diagnose hat Tusk jedenfalls recht. Der Zwist um einen verbindlichen Aufnahmeschlüssel hat sich als einer erwiesen, der die Mitgliedstaaten in höchstem Maße spaltet. In der emotionalen Diskussion haben sich beide Seiten in ihren Positionen eingeigelt, und rationale Argumente dringen da kaum durch.

Zum Glätten der Wogen und zur Klärung der Lage trägt auch die EU-Kommission nicht unbedingt bei. Die Brüsseler Behörde ergeht sich stattdessen in Zahlenspielereien, die ein Umsiedlungsprogramm als Erfolgsgeschichte darstellen sollen. Es geht dabei um zwei EU-Beschlüsse zur Verteilung von 40.000 und 66.000 Menschen aus Griechenland und Italien. Jedes Land erhielt eine Zahl an aufzunehmenden Asylwerbern zugeteilt. Doch dann wurden die Zahlen sukzessive reduziert - zunächst um ein paar tausend Flüchtlinge, die bereits einen Platz in einem EU-Staat gefunden haben, danach wurden gleich zehntausende Menschen weggerechnet, weil die Migrationsbewegungen nach der Schließung der Balkanroute abgenommen haben. Auf einmal war nur noch von 35.245 Menschen die Rede, die umzusiedeln waren. Davon wurden 32.683 Flüchtlinge bereits verteilt. Das seien immerhin rund 92 Prozent, frohlockt die Kommission. Dass es aber nicht einmal ein Drittel von der ursprünglichen Zahl ist, fügt sie nicht hinzu.

Das Jonglieren mit Statistiken ändert aber nichts daran, dass noch immer tausende Menschen in Flüchtlingslagern auf eine Umsiedlung warten oder sich selbst auf den Weg machen in ein Land, das ihnen nicht von der EU zugewiesen wurde. Die Risse in der EU kittet es ebenso wenig.