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Sozialdemokratische Sikh-Spitze

Von Alexander U. Mathé

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Ein Sohn indischer Immigranten soll Kanadas Linke wieder fit machen.


Jagmeet Singh ist für viele eine Stilikone. Egal, ob im Dreiteiler, in einer legeren Kombination aus Sakko und Hose oder mit Sandalen: Der Kanadier - so weit ist sich die einschlägige Presse einig - beweist guten Geschmack. Zwei Accessoires sind beim 38-Jährigen immer dabei: Zausbart und Turban - äußere Zeichen seiner Zugehörigkeit zum Sikhismus, jener monotheistischen Religion, die eine Brücke zwischen Islam und Hinduismus schlägt, allerdings mehr mit Letzterem gemein hat.

Eigentlich ist Singh weder wegen seines Modebewusstseins noch wegen seines Glaubens bekannt, sondern wegen seiner Politik. Der in Toronto geborene Sohn von Immigranten aus Punjab in Indien wurde nämlich im Oktober zum Chef der sozialdemokratischen NDP (Neue Demokratische Partei) gewählt. In Kanada werden Sikhs in politischen Spitzenpositionen allmählich zur Normalität. So ist beispielsweise der amtierende Verteidigungsminister ebenfalls einer und auch im Parlament nimmt die Anzahl an Turbanen zu. Und doch ist es nach wie vor eine Besonderheit, wenn es jemand aus einer sichtbaren Minderheit an die politische Spitze schafft, zumal, wenn er wie Singh der erste Nicht-Weiße ist, der einer kanadischen Großpartei vorsteht.

Singh soll die NDP wieder fit machen. Noch 2011 war sie mit gut 30 Prozent die zweitstärkste Kraft. Nach den Wahlen 2015 rutschte sie knapp unter die 20-Prozent-Marke und auf den dritten Platz. Das lag unter anderem daran, dass der liberale Premier, Justin Trudeau, auch auf linke Themen gesetzt hat, die die NDP besetzt. Er versprach die Legalisierung von Marihuana und die Einführung einer Reichensteuer. Die Überschneidung wird beim Vergleich mit Singh offenbar, der Drogenbesitz ebenfalls entkriminalisieren will (hier aber dem portugiesischen Weg offen gegenübersteht, der auch Kokain und Heroin in kleinen Mengen inkludiert) und eine neue Steuerklasse für die höchsten Einkommen fordert. Was Marihuana betrifft, so könnte die Forderung schon im Juli 2018 obsolet werden, wenn der kanadische Senat bis dahin für das fertig ausgearbeitete und vom Unterhaus bereits befürwortete Gesetz grünes Licht gibt. Besser sieht es für Singh bei der Reichensteuer aus. Zwar ist derzeit eine Steuerreform angelaufen, wie sich diese letztlich auswirken wird, ist aber noch umstritten. Singh will zudem den Mindestlohn auf 15 kanadische Dollar die Stunde anheben. Ihm kommt derzeit zugute, dass Trudeau mit den schlechtesten Umfragewerten seit Amtsantritt zu kämpfen hat. Und so schwimmt Singh auf einer Welle der Zuversicht und Euphorie, die - glaubt man den Gerüchten - durch eine bevorstehende Hochzeit noch verstärkt wird. Es wird spannend zu sehen, wie weit sie ihn tragen wird.