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Visionen aus dem Osten

Von Martyna Czarnowska

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Die mitteleuropäischen Staaten wollen ihre eigene Machtposition in der EU festigen.


Die erste Reise führte nach Budapest. Der neue polnische Premier Mateusz Morawiecki traf dort diese Woche mit seinem ungarischen Amtskollegen Viktor Orban zusammen. Die beiden Länder sind zwar weder Nachbarn noch die füreinander wichtigsten Handelspartner. Doch zumindest eines verbindet die Regierungen in Warschau und Budapest derzeit: der Wunsch, innerhalb der EU eine eigene Machtposition zu markieren. Da ist es nur passend, dass Morawiecki eben nicht zunächst nach Brüssel und auch nicht nach Berlin fährt.

Gewohnt selbstbewusst sprach Orban beim gemeinsamen Presseauftritt von einer "Vision" der ost- und mitteleuropäischen Länder für Europa. Daher forderte er mehr Einfluss dieser Staaten in der EU.

Er könnte damit sowohl die Visegrad-Gruppe gemeint haben, die Ungarn und Polen mit Tschechien sowie der Slowakei bilden, als auch sein Land selbst. Denn die Formation ist eher ein loses Zweckbündnis denn ein festes Gefüge. In manchen Fragen gehen die Meinungen nämlich deutlich auseinander. So ist beispielsweise Ungarn wesentlich russlandfreundlicher als Polen. Und auch wenn die Länder nun deklarieren, bei den bald beginnenden Finanzverhandlungen um den nächsten mehrjährigen EU-Haushalt gemeinsam auftreten zu wollen, ist eine solche Einigkeit schwer vorstellbar, wenn es ausgerechnet ums Geld geht.

Bei einem anderen Thema hingegen können die vier Staaten tatsächlich mit einer Stimme sprechen: Die Fixierung eines Schlüssels zur Verteilung von Asylwerbern in der EU lehnen sie geschlossen ab. Diese Pläne, die vor allem Deutschland verfolgte, seien schlicht gescheitert, befand Orban einmal mehr. Die nationalkonservative Regierung in Warschau sieht das ähnlich. Dafür, meinte der ungarische Ministerpräsident, sei Polen denn auch von der EU bestraft worden. Die EU-Kommission hatte gegen Warschau ein Grundrechteverfahren eingeleitet. Strafmaßnahmen gegen das Land will Ungarn aber nicht erlauben. Ob jedoch Tschechien und die Slowakei ebenfalls ein Veto gegen Sanktionen einlegen würden, ist offen.

Umgekehrt könnten die vier Vise-grad-Länder für ihre Vorstellungen von Migrationspolitik, die vor allem auf der Sicherung der EU-Außengrenzen beruhen, einen weiteren Verbündeten gewinnen: Österreich.

Bundeskanzler Sebastian Kurz, dem Orban noch im Jänner einen Besuch abstatten möchte, hat bereits festgestellt, dass Flüchtlingsquoten nicht funktionieren. Aus Budapest gab es Lob: Laut Orban sei im Nachbarland die Demokratie nun wiederhergestellt, weil die Österreicher eine Regierung gewählt hätten, die ähnlich wie die Bürger selbst keine Einwanderer wolle.

Das Thema wird die EU so auch heuer beschäftigen. Denn dass die Bulgaren, die nun den EU-Vorsitz übernommen haben, den Zwist ausräumen können, scheint wenig wahrscheinlich. Zu festgefahren ist der Streit. Danach, im Juli, geht die Führungsrolle an die Österreicher. Zwar sind die Gestaltungsmöglichkeiten eines Vorsitzlandes beschränkt. Doch sollte dieses nicht zuletzt eine Vermittlerrolle einnehmen. Allerdings könnte es diese schwächen, sollten Wien und Budapest einander noch näherkommen.