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Berlins ausgestreckte Hand

Von Martyna Czarnowska

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Polen wäre gut beraten, das deutsche Angebot zur besseren Zusammenarbeit anzunehmen.


Von einem "sinnvollen, guten Austausch" war die Rede. Und von einem "engen Verhältnis" zwischen den Nachbarn. Wie bei Staatsbesuchen üblich, rückten die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr polnischer Amtskollege Mateusz Morawiecki nach ihrem Treffen in Berlin die positiven Seiten der Partnerschaft in den Vordergrund. Das Außenhandelsvolumen entwickle sich "sehr dynamisch"; die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich solle verstärkt werden; die Bande mit Frankreich im Rahmen des so genannten Weimarer Dreiecks sollen enger geknüpft werden.

Doch nicht bei allen Themen ist Gleichklang zu hören. Auffassungsunterschiede gibt es etwa bei der Freizügigkeit von Arbeitnehmern, die Deutschland in Schranken weisen möchte. Auch die Pläne zum Bau der russisch-deutschen Gasleitung Nordstream 2 sorgen für Zwistigkeiten: Während die Pipeline für Berlin ein "rein wirtschaftliches Projekt" ist, stellt sie für Warschau auch eine politische Bedrohung dar. Die Abhängigkeit von Russland wäre durch den Gasimport keineswegs gemindert, und die Ukraine würde als Transitland nicht berücksichtigt.

Für Polen kommen noch weitere Streitpunkte in der EU hinzu. Die EU-Kommission hat ein Verfahren zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in dem osteuropäischen Land eingeleitet. Die nationalkonservative Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) baut den Staat um: Änderungen hat sie im Justizwesen, in den öffentlichen Medien und anderen Bereichen durchgesetzt. Kritik dafür erntete sie im In- und Ausland.

Deutschland muss dennoch daran gelegen sein, Polen in die Debatten um künftige Weichenstellungen in der EU einzubinden, weil etliche von diesen gegen den Widerstand des Nachbarn kaum durchzusetzen sind. "Trotz Frustration im Umgang mit Warschau sollte Berlin daher der karolingischen Versuchung widerstehen und sich nicht am Aufbau von engen Kernzonen der Integration beteiligen, die sich später nur schwer wieder öffnen ließen", heißt es in einem aktuellen Papier der in Berlin ansässigen Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Deutschland hätte drei Optionen, schreibt Autor Kai-Olaf Lang. Zwei seien aber wenig ergiebig: den Kurs der offenen Ermahnung einzuschlagen oder umgekehrt "Sonnenscheinpolitik" zu betreiben, die auf Kooperation setze und rechtsstaatliche Defizite ignoriere. Zielführender scheint dem EU-Experten ein dritter Ansatz: eine "engagierte Realpolitik". Diese sollte drei Prinzipien umfassen: "ein vorübergehendes, jedoch spürbares Absenken des europapolitischen Anspruchsniveaus der deutsch-polnischen Beziehungen, einen fairen, aber klaren Interessenabgleich und die Fortsetzung kooperativer Einbindung".

Die Hand bleibt also ausgestreckt, und Polen wäre gut beraten, sie zu ergreifen. Denn das Land muss sich mit seinem Nachbarn arrangieren, will es nicht politisch an den Rand Europas gedrängt werden. Es liegt auch in seinem eigenen Interesse, an den anstehenden Reformprozessen in der EU beteiligt zu sein und diese mitgestalten zu können. Wenn die Regierung in Warschau es nicht einsehen möchte, wird sie für Polens mögliche außenpolitische Misere selbst verantwortlich sein.