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Ein klarer Bruch der Verfassungstradition

Von Walter Hämmerle

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In Kärnten schreitet, nach dem Selbstfaller der ÖVP, die Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips in der Landesregierung zügig voran.


Die in Kärnten von SPÖ und ÖVP paktierte Abschaffung des in der Verfassung verankerten Einstimmigkeitsprinzips für die Landesregierung geht ihren vorgezeichneten Weg. Am Dienstag nahm der zuständige Ausschuss den entsprechenden Antrag an den Landtag an, das Konsens- durch das Mehrheitsprinzip zu ersetzen.

Nur zur Erinnerung: Dieser Schritt war eine der zentralen Bedingungen der SPÖ für die Koalition mit der ÖVP, nachdem diese nach der Einigung auf ein Regierungsübereinkommen Hals über Kopf und ohne jede Ankündigung ihr Führungspersonal austauschte. SPÖ-Landesobmann und Landeshauptmann Peter Kaiser, eindrucksvoll durch die Landtagswahl vom 4. März gestärkt, forderte diese Verfassungsänderung als Zeichen der politischen Unterwerfung ein - und die ÖVP, mit einem Fuß über dem politischen Abgrund, lieferte.

Taktisch haben Kaiser und die Kärntner SPÖ alles richtig gemacht, den von der ÖVP aufgelegten Elfer angenommen und kühl im gegnerischen Tor versenkt. Grundsätzlich irritiert, dass jener Teil der Republik, der Verfassungsrecht nicht von vornherein als taktische Manövriermasse für Parteien betrachtet, die Angelegenheit schulterzuckend zur Kenntnis nimmt. So in der Art: Die ÖVP ist selber schuld.

Allerdings ist diese Verfassungsänderung keine Angelegenheit, die SPÖ und ÖVP exklusiv betrifft, in ihr schlummert nämlich das grundsätzliche Potenzial, das politische Kräftegleichgewicht massiv zugunsten der stärkeren Regierungspartei zu verschieben. "Schlummern" deswegen, weil es durchaus wahrscheinlich ist, dass die SPÖ von ihrem neuen Recht, den Koalitionspartner in der Landesregierung zu überstimmen, in der Praxis keinen Gebrauch machen wird. Es gibt nur ein begrenztes Maß an Demütigungen, die auch eine strukturell schwache, aber wieder zur Vernunft gekommene Partei wie die Kärntner ÖVP bereit ist, über sich ergehen zu lassen.

Natürlich ließe sich einwenden, weder in Niederösterreich noch im Bund findet sich das Einstimmigkeitsprinzip für die Regierung in der Verfassung. In St. Pölten gilt tatsächlich das Mehrheitsprinzip, allerdings aus dem einfachen Grund, weil hier die Landesregierung noch nach dem Proporz, das heißt, nach der Stärke der Parteien im Landtag, besetzt wird. Das Einstimmigkeitsprinzip würde hier zur Blockade der Regierungsarbeit führen.

Und für den Bund gilt, dass zwar nirgendwo festgeschrieben steht, dass der Ministerrat nur einstimmig Beschlüsse fassen kann, dieses Prinzip aber trotzdem als Verfassungsrecht qua Gewohnheit Geltung besitzt.

In anderen Worten: Das Klagenfurter Modell ist ein glasklarer Bruch mit der österreichischen Verfassungstradition der nunmehr hundertjährigen Republik. Das ist natürlich auch eine Möglichkeit, diesen runden Geburtstag im äußersten Süden des Landes zu begehen.

Die meisten Landesverfassungen waren von Beginn auf die Bedürfnisse der stärksten Kraft zugeschnitten. In den letzten Jahren wurden dagegen die (Kontroll-) Rechte der kleineren Parteien gestärkt. Ausgerechnet Kärnten dreht diesen Prozess jetzt wieder in die Gegenrichtung.