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Taschen voller Geld

Von Alexander U. Mathé

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Ein venezolanisches Pärchen hatte eine ausgefallene Design-Idee.


Caracas/Cúcuta. Was Jesús Campos und seine Frau Gabriela machen, klingt zuerst einmal nach Luxusartikel für überdrüssige Millionäre. Sie stellen Taschen aus echtem Geld her. 20er, 100er und sogar 1000er sind dabei. 800 Scheine brauchen sie pro Tasche. Allerdings handelt es sich dabei um Bolivares, also die venezolanische Währung - und deren Wert ist buchstäblich ein Witz. "Wie kann man Pfund, Bolivar und Dollar auf einen Nenner bringen?", lautet die Scherzfrage. Die Antwort: Ein Pfund Bolivar sind ein Dollar. Und genau so entstand die Geschäftsidee der Campos. Aufgrund der sich verschlechternden wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Lage, beschloss das venezolanische Paar aus der Stadt Valencia vor ein paar Monaten, nach Kolumbien auszuwandern. In der Grenzstadt Cúcuta - der siebtgrößten Stadt Kolumbiens - verkauften sie Milchreis. Abnehmer waren hauptsächlich Grenzgänger, die sich in Kolumbien mit Nahrung und Medikamenten eindeckten. Beides ist in Venezuela Mangelware. 45.000 Bolivares verlangten sie damals für eine Süßspeise. Und so mancher Kunde habe mit Taschen voller 100er-Scheine bezahlt. Irgendwann saß das Ehepaar auf einem Geldberg wie Dagobert Duck. Denn: "Viele Wechselstuben akzeptierten diese Scheine nicht. So hatte ich die Idee, sie in etwas Nützlicheres zu verwandeln", sagte Jesús Campos der "Deutschen Welle". Der reine Materialwert der Geld-Taschen reicht nicht einmal für eine Tasse Kaffee, die in dem südamerikanischen Land für etwa 200.000 Bolivares erhältlich ist. Ein Kilo Huhn kostet mehr als eine Million Bolivares. Wobei das inzwischen sicher auch nicht mehr gilt. Denn die Waren verteuern sich in Venezuela im Tagestakt. Auf 13.800 Prozent belaufe sich die Inflation des ölreichen Landes, erklärte das von der Opposition kontrollierte Parlament vergangenen Monat. Während sich die Campos mit dem Material für eine Tasche in Venezuela nicht einmal ein Cola kaufen könnten, verkaufen sie diese nun in Kolumbien um umgerechnet knapp zehn Euro. Davon können sie sich nicht nur ein Cola kaufen, sondern auch noch ein Kilo Rindfleisch, Brot und Gemüse. Damit kommen sie und ihre zwei Kinder Monat für Monat gut über die Runden. Wie lange das Geschäftsmodell der Campos noch halten wird, bleibt abzuwarten. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro ist derzeit jedenfalls dabei, ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Er hat verfügt, dass ab 4. Juni ein neues Zahlungsmittel eingeführt wird, für das drei Nullen gestrichen werden sollen. Das bedeutet quasi eine Vertausendfachung des Materialpreises für die Campos. Allerdings dürften sich die Taschen auch dann noch rentieren. Hält die Inflation an, ist aber innerhalb kürzester Zeit ohnedies wieder alles beim Alten.