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Von Europa weit entfernt

Von Martyna Czarnowska

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Rückschritte in der demokratischen Entwicklung könnten die Türkei einiges an EU-Geld kosten.


Europa ist weit weg. Auch wenn ein Teil des Landes zum Kontinent gehört, auch wenn gut zehn Kilometer von der Stadt Edirne entfernt die Europäische Union beginnt, auch wenn in so manchem Viertel Istanbuls und Ankaras westliche Lebensstandards nicht nur angestrebt werden, sondern längst das Umfeld mitprägen. Trotzdem: Die EU-Annäherung der Türkei, mit der Brüssel seit fast dreizehn Jahren Verhandlungen um einen Beitritt zur Gemeinschaft führt, stockt. Statt Fort- gebe es Rückschritte, zumindest in manchen Bereichen, stellte die EU-Kommission in ihrem letzten Bericht fest.

Und diese Bereiche sind nicht unwesentlich. Es geht um Rechtsstaatlichkeit, demokratische Prinzipien, Meinungs- und Pressefreiheit. Überall dort ortet die Kommission Mängel; in den vergangenen zwei Jahren nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei, seit der Verhängung des Ausnahmezustandes, nach Massenentlassungen und -verhaftungen hat sich die Situation verschlechtert.

Das soll nicht ohne finanzielle Folgen bleiben. Zwar scheut die EU vor harten Schnitten zurück, ebenso wie vor einem Abbruch der Gespräche mit Ankara. Aber die sogenannten Vorbeitrittshilfen, die einem Land für die Heranführung an EU-Standards zur Verfügung gestellt werden, könnten sehr wohl gekürzt werden. Dieser Fall soll schon heuer und bis 2020 eintreten. Die Mittel für die Türkei werden jährlich um rund 250 Millionen Euro gekürzt, gab der für Erweiterungsverhandlungen zuständige Kommissar Johannes Hahn bekannt.

Anpassungen im nächsten langjährigen Finanzplan der EU ab 2021 sind ebenfalls möglich. In den diese Woche präsentierten Kommissionsvorschlägen für den entsprechenden Budgetposten ist die Rede davon, dass die Vergabe der EU-Mittel "die Entwicklungen in den Beziehungen mit der Türkei" spiegeln sollte. Insgesamt sollen für die Kandidatenländer innerhalb von sieben Jahren 14,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden.

Die jetzt schon erfolgte Kürzung der Mittel für die Türkei hat ebenfalls der Europäische Rechnungshof empfohlen. Die EU-Finanzhilfe für die Türkei zeige nämlich nur begrenzte Wirkung, befanden die Kontrolleure. Denn an die Vergabe des Geldes sind bestimmte Bedingungen geknüpft. Diese erfülle die Türkei zwar in manchen Bereichen, etwa bei der Übernahme des EU-Rechts im Zoll- oder Steuerwesen. Aber bei Zielen wie Stärkung der Demokratie mangle es nun einmal an politischem Willen. Für die Sektoren Rechtsstaatlichkeit, Regierungsführung, Bildung, Sozialpolitik waren 2007 bis 2020 immerhin 3,8 Milliarden Euro vorgesehen.

Noch mehr Mittel sollen in die Flüchtlingshilfe in der Türkei fließen, wie es das Abkommen der EU mit dem Land für einen besseren Grenzschutz vorsieht. Auch hier prüft der Rechnungshof derzeit die Effizienz. Ob sich Geld einmal mehr als ein Druckmittel erweist, wird sich noch zeigen.

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Die East Side Stories machen im kommenden Halbjahr, wenn Österreich den EU-Vorsitz innehat, Pause. Die Geschichten aus Europa werden fortgesetzt.