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Ein Leben für die Aids-Aufklärung

Von Alexander U. Mathé

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Ursprünglich geächtet, schaffte es Livey Van Wyk zur jüngsten Bürgermeisterin Namibias.


Als sie 17 Jahre alt war, hatte Livey Van Wyk Todesangst. Damals, 2002, war sie schwanger und hatte gerade erfahren, dass sie HIV positiv ist. Doch die Infektion war nicht allein der Grund, dass Livey um ihr Leben bangte - und um das ihres ungeborenen Sohnes. Es waren auch die Menschen von Witvlei, einem 2000-Seelen-Dorf in Namibia, die ihr Furcht einflößten. Ihr Zustand sprach sich nämlich schnell herum. Sie wurde als "Aids-Mädchen" beschimpft, Kinder warfen Steine nach ihr und Livey wurde das Gefühl nicht los, dass sie viele am liebsten umbringen würden. Der Direktor ihrer Schule beschied ihr, dass sie diese nicht mehr betreten dürfe. Auch in ihrer eigenen Familie wurde Livey zur Paria. Noch im Krankenhaus besprach ihre Mutter die Vorbereitungen für Liveys Beerdigung. Einzig die Großmutter hielt zu ihr und behandelte sie, als ob nichts geschehen wäre. Zur Verteidigung der Familie muss man sagen, dass die Aufklärung in Sachen HIV und Aids damals in Namibia so gut wie inexistent war. Effektive Medikamente gab es nicht und wer an Aids erkrankte, konnte sich auf einen Tod unter Qualen gefasst machen. Die Situation schien ihr dermaßen unerträglich, dass Livey einen - erfolglosen - Suizidversuch unternahm. Danach fasste sie Mut und beschloss, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. Sie nahm Medikamente, um zu verhindern, dass ihr Sohn bei der Geburt mit HIV infiziert wird. Tatsächlich war der kleine Remi bei der Geburt gesund und HIV-negativ. Sie begann eine Selbsthilfegruppe zu besuchen und sah es schon bald als ihre Aufgabe, die Welt über HIV und Aids aufzuklären. Sie schrieb ein Buch über ihre Erlebnisse, gab Interviews im Radio und hielt sogar eine Rede vor der UNO-Generalversammlung. Das heißt nicht, dass ihr Leben reibungslos verlief. Als etwa Liveys Verlobter um ihre Hand anhielt, erfuhr sie von ihrer Mutter, dass sie wegen HIV ohne ihr Wissen - geschweige denn ihre Zustimmung - im Zuge des Kaiserschnitts sterilisiert worden war. Doch Livey verlor nie mehr den Mut und arbeitete weiter als Aids-Aktivistin. Wie erfolgreich sie dabei war, davon zeugt ihr Dorf. Nachdem zuerst ihre Familie begann, Livey nicht mehr als Aussätzige zu behandeln, akzeptierten sie bald auch die Menschen von Witvlei. Und da Livey auch gute Ideen für das Dorf hatte, wählten sie die Menschen, die sie noch vor knapp zehn Jahren zumindest vertreiben wollten, mit 26 Jahren zur jüngsten Bürgermeisterin Namibias. Als solche startete sie Wohnprojekte, die bis heute den ärmsten Familien des Dorfes zugutekommen. Heute arbeitet die 33-Jährige für eine Bildungsorganisation Irex und hat dieses Jahr den vom britischen Rundfunk BBC vergebenen Preis Outlook Inspirations gewonnen.