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Ein Gericht geht gegen ein Gesetz vor

Von Martyna Czarnowska

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Richter in Polen wehren sich gegen ihre Zwangspensionierung.


Wer weiter arbeiten möchte, soll es tun. Zumindest fürs Erste und nach Meinung des Obersten Gerichts in Polen. Es geht um die eigenen Mitarbeiter, die Richter, die per Gesetz in die Zwangspension geschickt werden sollen. Vor einem Monat hätten die entsprechenden Regeln in Kraft treten sollen: Die nationalkonservative Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) hat eine Senkung des Pensionsantrittsalters der Richter auf 65 Jahre durchgesetzt. Mit einem Schlag war mehr als ein Drittel der Posten am Obersten Gericht neu zu besetzen. Betroffen wäre auch Vorsitzende Malgorzata Gersdorf, die aber weiter zur Arbeit erschien - mit dem Verweis darauf, dass ihre Amtsperiode erst 2020 ausliefe. Andere Kollegen folgten ihrem Beispiel.

Geht es nach dem Gerichtshof, sollten sie auch weiterhin die Möglichkeit dazu haben - so lange, bis sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein Urteil über die neuen Pensionsregelungen gebildet hat. An die Luxemburger Richter hatte sich in der Sache zunächst die EU-Kommission gewandt, nun folgten die Kollegen aus Warschau. Bis zu einer Entscheidung sollte das Gesetz nicht befolgt werden müssen.

Die Reaktionen aus der Regierung und der Präsidentschaftskanzlei, wo die Novelle bereits unterschrieben worden war, waren voller Empörung. Das Oberste Gericht habe sich außerhalb das Gesetz gestellt, hieß es. Andrzej Dera, ein Staatssekretär im Büro von Präsident Andrzej Duda, bekam es sogar mit der Furcht zu tun. Er wolle nicht vor einem Richter stehen, der ohne rechtliche Grundlage ein Urteil fälle, zitiert die Nachrichtenagentur PAP den Politiker, der jahrelang für die PiS im Parlament saß. "In diesem Moment habe ich, als Bürger, wirklich Angst."

Es klingt wie Ironie, denn Sorgen machen sich ebenfalls etliche weitere Polen - doch unter umgekehrten Vorzeichen. Sie lehnen nämlich die Gesetzesänderungen ab, ebenso wie andere Teile der Justizreform. Diese würde die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr bringen; das PiS-Kabinett wolle die Institutionen mit ihm genehmen Mitarbeitern besetzen, die im Sinne der Regierung entscheiden. Die Opposition und Teile der Zivilgesellschaft protestierten dagegen, im Parlament und auf der Straße.

Auch im Ausland lösten die Neuregelungen Kritik aus. Die EU-Kommission nimmt die Rechtsstaatlichkeit in Polen unter die Lupe, ebenso hat sie ein so genanntes Artikel-7-Verfahren eingeleitet, um die Wahrung der Grundrechte zu überprüfen.

Und wieder könnte es Ironie sein, wenn es ausgerechnet unter dem EU-Vorsitz Österreichs zu einer Abstimmung unter den Mitgliedstaaten über das weitere Vorgehen gegen Polen kommen würde. Artikel 7 des EU-Vertrags ist nämlich nicht zuletzt wegen Österreich geschaffen worden, nachdem sich die Sanktionen gegen die Regierung unter dem ersten ÖVP-FPÖ-Kabinett im Jahr 2000 als nicht zielführend erwiesen haben. Nun wird vielleicht Wien das Thema der Strafmaßnahmen auf die Agenda eines EU-Ministertreffens setzen müssen. Schon gibt es Spekulationen, dass Warschau ein solches Votum durchaus begrüßen würde, um zu zeigen, dass es von einigen Ländern Rückendeckung bekommt. Ungarn hat diese bereits deklariert.