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Brückenbauer statt Grabenkämpfer

Von Judith Belfkih

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Judith Belfkih, stellvertretende Chefredakteurin der "Wiener Zeitung".

Es zeichnet sich eine Art Synthese ab, beinahe eine Form gesellschaftlicher Heilung. Grabenkämpfer und Abrissbirne geraten dabei immer mehr in den Hintergrund, Brückenbauer und Konstrukteure kommen wieder in Mode. Ein Hoffnungsschimmer zeichnet sich ab am düstern Horizont - zumindest auf dem Sachbuchmarkt.

Seit einigen Jahren bestimmen vor allem zwei Formen von Büchern die Kataloge der Neuerscheinungen in Sachen Digitalisierung: Mit Titeln wie "Die Gefahr aus dem Netz", "Digitale Erschöpfung" oder "Fremdbestimmt" schmückte eine wutschäumende Gruppe an Autoren die aktuellen Veränderungen zu dystopischen Bedrohungsszenarien aus. Auf der anderen Seite versuchen Schreiber(innen) mit Ratgebern zur Achtsamkeit, Entschleunigung oder digitalen Entgiftung zu inspirieren - und zelebrierten Facetten der digitalen Verweigerung als scheinbar einzig konstruktiven Gegenentwurf.

Auch wenn sich beide Sparten nach wie vor wachsender Beliebtheit erfreuen, so sprießen doch erste (prominente) Pflanzen einer Synthese aus beidem: im Zeichnen von positiven Zukunftsbildern in einer digitalen Welt - und nicht parallel dazu. Richard David Prechts utopischer Entwurf "Jäger, Hirten, Kritiker" etwa zeigt konstruktive Strategien, die zur Mitgestaltung einladen. Auch Andrew Keen zeichnet eine menschlichere digitale Welt in seinem Reparatur-Ratgeber "How to fix the future". Der trauernde Blick zurück, er weicht langsam dem freudigen nach vorne. Möge dieser Buchtrend möglichst bald und umfassend auf die Realität abfärben.