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Ohne Pardon

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Antisemitismus zieht sich wie ein roter Faden durch die europäische Geschichte. Was als religiöser Konflikt begann, trieb über die Zeit seine dunklen Blüten in allen Gesellschaftsbereichen, um schließlich im Holocaust, der gezielten Vernichtung von sechs Millionen europäischen Juden, seinen apokalyptischen Höhepunkt zu entfalten.

Der Antisemitismus hat bis heute überlebt. Unter neuen Bedingungen und mit immer neuen Motiven bezieht der Hass auf alles Jüdische stets neue Energie. Während Christen und Juden ihre alte Nähe neu entdecken und theologisch untermauern, vergiftet der Nahost-Konflikt das Klima zwischen Juden und Moslems rund um den Erdball. Und natürlich gibt es weiter den alten Antisemitismus der neuen und alten Rechtsextremen. Den gibt es auch unter Linken, befeuert von antikapitalistischen wie antiamerikanischen Reflexen.

Vor diesem mehr als ernsten Hintergrund tagt am heutigen Mittwoch in Wien auf Initiative der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft eine hochgradig besetzte Konferenz gegen Antisemitismus und Antizionismus. Und wer im Vorfeld noch nach einem Grund für deren Notwendigkeit gefragt hat, bekam die Antwort unmittelbar geliefert. Allein die Tatsache, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bildungsminister Heinz Faßmann den US-Investor George Soros getroffen haben, um mit diesem die Übersiedlung der von ihm initiierten Central European University von Budapest nach Wien zu paktieren, hat zu einem wüsten antisemitischen Sturm in den Sozialen Netzwerken geführt. Soros ist ein Feindbild der Neuen Rechten. Und das keineswegs nur in Ungarn, sondern auch in Österreich - und Teile der FPÖ betreiben deren Geschäft.

Dass ein harter Kern antisemitischer Ressentiments weiter existiert, ja wächst und nach immer neuen Mitteln und Wegen zum Wuchern Ausschau hält, ist eine traurige Tatsache. Noch bitterer ist jedoch die Erkenntnis, dass wir in einer Zeit leben, in der nicht einmal mehr erklärte Gegner des Antisemitismus bereit sind, bei ihrem politischen Kampf auf dessen Instrumentalisierung zu verzichten. Eine ungeschickte Äußerung, wie sie etwa Faßmann im "ZiB 2"-Interview unterlief, genügt, um ihn auf den digitalen Kanälen zum Erfüllungsgehilfen von Rassisten und Extremisten zu brandmarken.

Der politische Zweck heiligt längst alle Mittel, die unversöhnlichen Gegner nähern sich über ihre Methoden immer weiter an. Pardon wird nicht mehr gewährt, unterstellt wird die schlimmstmögliche Absicht. Die Logik der politischen Ränder hat die Vernunft der Mitte erobert. Und niemand, der die politischen Köpfe vor ihrer eigenen Unerbittlichkeit schützt. Zur reinen Freude der Zerstörer.