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Eintracht in Türkis-Blau

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

Von einer "menschlich gelebten Zusammenarbeit" war die Rede und vom Feiern der "papierenen Hochzeit". Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache nahmen Wörter wie "Partnerschaft", "Respekt", "Augenhöhe" in den Mund. Anlass für die Eintrachts-Bekundungen war eine - etwas verfrühte - Pressekonferenz zur einjährigen Regierungsbilanz der ÖVP-FPÖ-Regierung. Denn diese wurde zwar erst am 18. Dezember 2017 angelobt, aber am Ballhausplatz hat man sich dazu entschlossen, die Feste so zu feiern, wie sie fallen.

Doch wie sieht diese Bilanz aus: Es wird tatsächlich nicht gestritten.

Aufrechte Citoyens vermissen den Streit: Wo blieb der handfeste Koalitions-Konflikt, als ruchbar wurde, dass in einer rechtsextremen Burschenschaft, der der niederösterreichische FP-Spitzenpolitiker Udo Landbauer angehört, Nazi-Lieder im Gesangsbuch der Bude zu finden waren? Wo bleibt der Koalitionskrach über den niederösterreichischen FPÖ-Asyllandesrat Gottfried Waldhäusl, dessen Äußerungen über minderjährige Schutzsuchende die Grenze des Erträglichen bei weitem überschritten haben? Kanzler Kurz vermied bei der Pressekonferenz klare Worte und verwies auf Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Fairerweise muss hinzugefügt werden, dass Mikl-Leitner Waldhäusl deutlich in die Schranken gewiesen hat. Auf Dauer wird Kurz die FPÖ-Kritik allerdings nicht outsourcen können. Auch im hochsensiblen Fall der von Innenminister Herbert Kickl ausgelösten rechtswidrigen Hausdurchsuchung des Bundesamts für Verfassungsschutz wären deutliche Worte des Bundeskanzlers nicht fehl am Platz gewesen.

Die Konfliktvermeidungsstrategie hat sich aber ausgezahlt, die Koalitionsregierung kann sich in hervorragenden Umfragewerten sonnen.

Perfekte Message-Control, Harmonie, EU-Präsidentschaft, kräftiger Konjunktur-Rückenwind. So geriet 2018 zum Annus mirabilis für diese Koalition.

Freilich: Es gab auch keine Herausforderungen zu bewältigen wie Rot-Schwarz sie zu bewältigen hatten - etwa die Hypo-, Euro- oder Flüchtlingskrise.

2019 könnte anders laufen: Das Migrationsthema ist langsam durch und die anstehenden Europawahlen werden einigen Konfliktstoff zwischen ÖVP und FPÖ bieten. Wie wird die Volkspartei im kommenden Jahr mit der zu erwartenden Anti-EU-Kampagne der Freiheitlichen umgehen?

Zudem kündigt sich ein raueres Wirtschaftsklima an, die Konjunktur scheint 2019 abzukühlen. Und das bedeutet: weniger Einnahmen bei gleichzeitig höheren Sozialausgaben.

Man wird sehen, wie die Bilanz für das Jahr 2019 ausfallen wird.