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Wettlauf ums Weltall

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

Um 10.26 Uhr chinesischer Zeit (3.26 mitteleuropäischer Zeit) war die Sensation perfekt: Die nach der chinesischen Mondgöttin benannte Raumsonde Chang’e 4 setzte im Von-Kármán-Krater auf. Damit war es erstmals gelungen, ein von Menschenhand erbautes Objekt auf der erdabgewandten Seite des Mondes zu landen. Kommt es 2019, 50 Jahre nach dem Schritt von Neil Armstrong aus seiner Apollo-Kapsel auf die Mondoberfläche am 21. Juli 1969, zu einer Neuauflage des Wettlaufs im All? Damals war der Wettlauf zum Mond eine wichtige Konfliktarena im Kalten Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. Zuerst hatten die Sowjets die Nase vorn: Sputnik-1 war am 4. Oktober 1957 der erste Erdsatellit. Amerikas Antwort, die Vanguard TV3, war ein Desaster, die Rakete fiel im Dezember 1957 nach 1,2 Metern Flug wieder auf den Boden, die Schlagzeilen in den Zeitungen lauteten: "Flopnik" oder "Kaputnik". 1959 - vor 60 Jahren - waren die Sowjets auch die Ersten auf dem Mond: Die Mondsonde Lunik 2 schlug auf dem Erdtrabanten auf. Auch der erste Mensch im Weltraum war ein Sowjet-Kosmonaut, Juri Alexejewitsch Gagarin. Er umrundete am 12. April 1961 die Erde.

Die Amerikaner standen unter dem Sputnik-Schock, bis US-Präsident John F. Kennedy am 12. September 1962 eine eindrucksvolle Rede hielt: Amerika will zum Mond. "Warum zum Mond? ... Wir haben uns entschlossen, noch in dieser Dekade zum Mond zu fliegen, nicht weil es leicht ist, sondern schwer. ... Wir haben vor, diese Herausforderung zu gewinnen." Den Wettlauf zum Mond haben die USA dann klar für sich entschieden.

Die chinesischen Weltraumforscher kennen die Raumfahrtgeschichte - sie wissen um die symbolische Bedeutung der Tatsache, dass ihre Sonde Chang’e 4 50 Jahre nach Neil Armstrong und 60 Jahre nach der unsanften Landung der sowjetischen Lunik 2 ein neues Kapitel in der Mondraumfahrt eröffnet hat. Und zwar in einem Jahr, in dem die Volksrepublik China ihren 70. Geburtstag feiert.

China ist - so viel ist heute klar - der neue Rivale der USA. Die Nasa hat freilich zuletzt viel komplexere Missionen gemeistert: Den Vorbeiflug der Sonde New Horizons am entferntesten Planeten des Sonnensystems 2014 MU69, besser bekannt als Ultima Thule, die Sonnenmission Parker Solar Probe oder die Umkreisung des Asteroiden Bennu durch die Sonde Osiris-Rex und schließlich die spektakuläre Landung der Marssonde InSight.

Der Wettlauf ins All zwischen UdSSR und USA gibt Hoffnung für die heutige Rivalität zwischen den USA und China: Am 17. Juli 1975 koppelte im Orbit eine amerikanische Apollo-Kapsel an eine sowjetische Sojus an. Astronauten und Kosmonauten reichten einander die Hand - es begann eine Zeit der Kooperation im All.