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Fördern, Fordern, Entlasten

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet in den wohlhabendsten Staaten am erbittertsten über die beste Strategie gestritten wird, Menschen vor Armut zu schützen. In Deutschland entzündet sich dieser Konflikt seit Jahren am erbitterten Streit um Hartz IV.

In Österreich setzt die von der Regierung geplante Reform der Mindestsicherung ähnliche Emotionen und Energien bei der Opposition frei. Was dabei zu kurz kommt, ist ein nüchterner Blick darauf, wie Armut verhindert und Menschen aus der Armut geholfen werden kann. Zu dieser Ablenkung trägt auch die Regierung wesentlich bei, indem sie in ihre Reform besondere Hürden für Migranten eingebaut hat. Das stärkt nur die Vorurteile auf beiden Seiten des Frontverlaufs im Stammtischduell der Weltvereinfachungen.

Zwei Fragen stehen im Mittelpunkt: der Stellenwert einer eigenverantwortlichen Lebensführung und die Bedeutung von Arbeit. Oder anders formuliert: Es geht um Solidarität und Leistung.

Es ist nur vernünftig, wenn ein Sozialstaat darauf abzielt, die Zahl der Zahler möglichst hoch und jene der Bezieher möglichst gering zu halten. Nur diejenigen sollten auf die Solidarität der Gemeinschaft zurückgreifen können, die auf sich allein gestellt nicht für ihr Auskommen zu sorgen imstande sind. Von allen anderen kann mit Grund ein Beitrag erwartet werden.

Konsens gibt es hier allerdings nur als Lippenbekenntnis. Geht es in die Details, wird schnell klar, dass einer breiten Einigung die spezifischen Blickwinkel und Interessen der Parteien im Hinblick auf die Erwartungen und Ansprüche an die Betroffenen entgegenstehen. Diese Differenzen sind legitim und auf Basis von Wahlergebnissen unter Einhaltung grundrechtlicher Normen zu entscheiden.

Schwerer wiegt der zweite Dissens: jener um den Stellenwert von Arbeit.

Es ist geradezu paradox, in Zeiten eines wachsenden Arbeitskräftemangels über Anreize für die Annahme von Arbeit nachdenken zu müssen. Und trotzdem geschieht genau das. Erklärbar ist dies nur durch einen veränderten Blick auf Arbeit. Zwar ist für die überwiegende Mehrheit der Menschen der Job ein maßgeblicher Teil der Lebenszufriedenheit, aber ein allgemein anerkannter Grundsatz ist das längst nicht mehr. Verantwortlich dafür sind mehrere Ursachen, sicher aber auch der Umstand, dass selbst jemand, der einer Vollzeitarbeit nachgeht, längst nicht mehr davon ausgehen kann, von diesem Einkommen auch ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Zu oft bleibt er oder sie auf Solidarität angewiesen.

Das ist ein Unding unserer Zeit. Qualifizierung durch Anreize, auch im Rahmen der Mindestsicherungsreform, und die spürbare Entlastung von Arbeitseinkommen sind die Lösung.