Zum Hauptinhalt springen

Kein Alexander nirgendwo

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Über die Politik grassieren zahllose Missverständnisse. Unter Wählern, vor allem aber auch unter den Politikern selbst. Und fast alle drehen sich darum, was die Politik zu bewegen vermag. "Alles und nichts" ist auf eine solche Frage natürlich die einzig vernünftige Antwort. Und wie immer kommt es dabei auf die Umstände an.

Zu Spitzenleistungen läuft die Politik verlässlich auf, wenn es darum geht, Probleme aus dem Nichts zu schaffen; in glücklichen Situationen wird das nur übertroffen durch ihre Kreativität, sich aus selbstgeschaffenen Schlamasseln wieder herauszuarbeiten. Eine Garantie dafür gibt es allerdings nicht, wie das Beispiel des Brexit aufzeigt.

Das ganze Drama des EU-Austritts der Briten ist ein von der Politik (und den Medien) erschaffener Problem-Golem. Außer einem vagen Unwohlsein einiger Bürger in Bezug auf die EU-Mitgliedschaft ihres Landes war da nichts Handfestes. Es sei denn, man bewertet schwüle Träumereien von grenzenloser Souveränität und handfeste parteipolitische Interessen als etwas Handfestes.

Umgekehrt verfügt die Politik über schier unbegrenzte Möglichkeiten, sich aus der selbstgegrabenen Grube auch wieder herauszuarbeiten. Im Kosmos dieser beschränkten Welt gibt es tendenziell keine ausweglosen Situationen, sondern immer nur neue Optionen. Und falls doch, kommt ein junger Alexander und zerschlägt den Gordischen Knoten mit seinem Schwert. So ist das auch beim Brexit: Auf einen finalen Höhepunkt folgt der nächste, und wenn es die Politik will, vermag sie sogar die Uhren anzuhalten. Jedenfalls für ihre eigene kleine Welt. Allerdings nie zum Nulltarif, die Rechnungen werden verlässlich zugestellt und müssen auch beglichen werden.

Wenn es sich jedoch um die Themen der wirklichen Welt dreht, sind die realen Möglichkeiten weitaus bescheidener. Geradezu mickrig sogar. Das ist nichts Schlechtes, nur in totalitären Gesellschaften kann das Verhalten der Menschen nach dem Gutdünken der Macht gelenkt und gesteuert werden.

Die Maßnahmen, welche die Regierung nun gegen den massiven Anstieg von Gewalt gegen Frauen angekündigt hat, geben einen guten Eindruck von den Grenzen demokratischer Politik angesichts eines vielschichtigen und tief verankerten gesellschaftspolitischen Problems: der Ausbau der Hilfsinfrastruktur für potenzielle und tatsächliche Opfer; das Bemühen, bei absehbaren Tätern vorbeugend einzugreifen; härtere Strafen für Wiederholungstäter; und schließlich allgemeine Aufklärung und Bewusstseinsbildung.

Nichts von all dem wird die Gewalt gegen Frauen schnell zum Verschwinden bringen. Nicht einmal eine Verdoppelung der Bemühungen. Und trotzdem darf die Politik nicht lockerlassen.