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Riskanter Regimewechsel

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Natürlich ist es verführerisch, den Machtkampf in Venezuela vor dem Hintergrund der historischen Hinterhof-Politik der Vereinigten Staaten zu betrachten. Immerhin waren die USA die Ersten, die sich hinter den weithin unbekannten Oppositionsführer Juan Guaido stellten, als der sich am Mittwoch zum Interimspräsidenten ausrief, um so das linksautoritäre Regime von Nicolas Maduro zu stürzen.

1823 erklärte der damalige Präsident James Monroe den amerikanischen Doppelkontinent zur Einflusssphäre der noch jungen USA. Seitdem hat Washington eifersüchtig darüber gewacht, dass weder die europäischen Kolonialmächte noch die imperialistische Sowjetunion oder das heutige China hier dauerhaft Fuß fassen. Dazu gehörte auch, unliebsamen Regimen ein gewaltsames Ende zu bereiten.

Politisch unliebsam ist auch das Regime Maduro. Dieser setzte alles daran, sich durch eine linksrevolutionäre Rhetorik gegen die USA politisch zu inszenieren. Vor allem aber ist das Land ein "failed state", dessen Bevölkerung trotz märchenhafter Ölvorkommen aufgrund von Misswirtschaft, Korruption, Hyperinflation und Gewalt verelendet. Dass das Regime sich bis jetzt an der Macht halten konnte, verdankte es der Rückendeckung des Militärs sowie der Ausschaltung der Opposition. Venezuela ist so zu einem sozialen wie politischen Sicherheitsrisiko geworden.

So gesehen ist das offene Eingreifen der USA nachvollziehbar. Allerdings bleibt eine blutige Eskalation eine reale Option. Da ist zum einen die Unberechenbarkeit von US-Präsident Trump, bei dem stets in den Sternen steht, wo die kalkulierte Provokation aufhört und die strategische Irrationalität beginnt. Dass die Präsidenten Chinas, Russlands, der Türkei und Mexikos Maduro ihre Loyalität bekunden, fällt weitgehend in die Rubrik politische Lyrik. Wie übrigens auch die Forderung der EU nach einem friedlichen Dialog und raschen Neuwahlen samt Unterstützung Guaidos. Entscheidender ist die Rückendeckung der südamerikanischen Nachbarn Venezuelas für das Vorgehen der USA. In der Region vollzog sich zuletzt ein entsprechender Rechtsruck.

Nun kommt es darauf an, dass alle Beteiligten einen kühlen Kopf bewahren. Maduro und seine Clique müssen erkennen, dass ihre Zeit an der Macht vorbei ist. Eine entscheidende Rolle kommt dabei den Militärs zu, der letzten und stärksten Institution im gescheiterten Staat. Ihnen muss klargemacht werden, dass sie mehr zu verlieren als zu gewinnen haben, wenn sie sich gegen den Wandel stellen. Und wenn am Ende wieder nur die eine Clique durch eine andere ersetzt wird, verspricht auch ein Machtwechsel den Bürgern keine Besserung. Die Serie jüngst erzwungener Regimewechsel war jedenfalls keine Erfolgsgeschichte der Demokratie.