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Woran Abrüstung scheitert

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Die USA wollen aus dem INF-Vertrag mit Russland aussteigen, der seit 1987 den Verzicht auf atomare Mittelstreckenwaffen regelt. Washington wirft Moskau Verstöße gegen den Vertrag vor. Der Schritt erfolgt mit Rückendeckung der europäischen Nato-Partner, was auf den ersten Blick verwundert: Schließlich soll der INF-Vertrag das Risiko einer nuklearen Konfrontation auf europäischem Boden zwischen den beiden geostrategischen Kontrahenten minimieren.

Ist das nun der Beginn eines neuen Kalten Krieges, zumindest eines neuen Wettrüstens mitten in Europa?

Der Kalte Krieg war das Ergebnis einer konkreten Konstellation des internationalen Systems in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Welt von heute erinnert dagegen nur noch in Spurenelementen an diese Konfrontation. Das schließt eine militärische Konfrontation der Großmächte nicht aus, aber wenn, dann würde eine solche unter gänzlich anderen Bedingungen erfolgen. Telefonate und persönliche Treffen auf höchster Ebene sind längst Routine, das reduziert die Gefahr einer Eskalation aufgrund von Fehlkalkulationen und Missinterpretationen, wie sie den Kalten Krieg stets prägte.

Eine angemessene Bewertung des US-Ausstiegs aus dem INF-Vertrag lässt sich aber nur vornehmen, wenn dabei der Politikstil von US-Präsident Donald Trump miteinbezogen wird.

Trump trifft keine Entscheidungen im eigentlichen Sinn, er kommuniziert politische Absichten durch die Ankündigung von Taten. So verfährt er im Handelsstreit mit China und der EU, so drängt er auf höhere Rüstungsausgaben der Nato-Mitglieder, und so agiert er auch in den Beziehungen mit Russland. Konkrete Folgen hat die Ankündigungen des INF-Ausstiegs nämlich noch nicht. Der Rückzug tritt erst in sechs Monaten in Kraft. Trump, und mit ihm die europäischen Nato-Partner, erhöhen auf diese Weise den Druck auf Moskau, das morsch gewordene Rüstungskontrollregime neu zu regeln.

Das ist nicht ausgeschlossen, zumal ja auch Moskau in dem Gefühl lebt, dass Washington die INF-Regeln zu seinen Gunsten überdehnt. Und dann ist da ja auch noch die neue Supermacht China, dessen gigantisches militärisches Aufrüstungsprogramm von keinem bindenden Vertrag für nukleare oder konventionelle Waffen erfasst und kontrolliert wird.

Von daher ist es in der Tat hoch an der Zeit für einen New Deal in Sachen Atomwaffen zwischen den Großmächten. Ob allerdings ausgerechnet Trump der Präsident ist, der das politische Kapital an Vertrauen und Durchsetzungsfähigkeit aufbringt, um diese historische Aufgabe zu stemmen? Bisher hat er jedenfalls keinen Anlass für eine so kühne Hoffnung geliefert.