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In der Vorhölle

Von Siobhán Geets

Gastkommentare
Siobhan Geets ist Redakteurin im Europa-Ressort der "Wiener Zeitung".
© Luiza Puiu

Einen "besonderen Platz in der Hölle" gebe es für Brexiteers, die einen EU-Austritt ohne Deal riskieren. Die Reaktionen auf die ungewöhnlich scharfen Worte des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk ließen nicht lange auf sich warten. "Die britische Presse wird Ihnen furchtbare Schwierigkeiten machen", flüsterte der irische Premier Leo Varadkar Tusk wenig später zu. "Die EU dreht durch", hieß es da bereits auf der Website der britischen Boulevardzeitung "The Sun".

Es war ein gefundenes Fressen für die Tabloids. Für sie war die EU ja schon immer ein willkommener Sündenbock.

Auch Labour und die konservativen Tories pflegen ihre düsteren Fantasien über die EU als unterdrückerische Kolonialmacht seit Jahrzehnten. Daran wird sich mit dem Brexit nichts ändern, denn für die Sündenbock-Erzählung ist es gleichgültig, wie der EU-Austritt am Ende aussehen wird. Bei einem harten Brexit, wenn das Königreich ohne Abkommen aus der EU schlittert, werden die Brexit-Hardliner rasch darüber aufklären, wer Schuld trägt an der wirtschaftlichen Misere. Die EU wird verantwortlich sein, wenn der Traum vom "Empire 2.0" zerplatzt, in dem das Vereinigte Königreich das lästige Regelwerk aus Brüssel abschüttelt und seine Tentakel wie in alten Zeiten als global agierender Wirtschaftsriese bis in die hintersten Winkel der Welt erstreckt.

Andersherum, falls das britische Parlament doch noch für eine enge Bindung an die EU stimmt, wird die hysterische Erzählung der Konservativen über die Selbstaufgabe des Königreichs im Sinne einer Zusammenarbeit mit der Union uns alle überleben.

Im Patt in der Nordirland-Frage ist es London interessanterweise gelungen, Brüssel als starrköpfig darzustellen. Dabei haben die Briten den "Backstop" mitverhandelt - aufgezwungen wurde er ihnen nicht. Zwar blieb die EU konsequent - aber starrköpfig? Nie wurde aus Brüssel signalisiert, einer Verschiebung des Austrittsvertrags im Weg zu stehen, im Gegenteil. Es war das britische Unterhaus, das gegen diese vorläufige Notlösung stimmte.

Doch all diese Fakten spielen keine Rolle in der alten Erzählung von der EU als regelverliebtem Eindringling ins gelobte Empire. "Der teuflische Euro-Irre tut alles, um das Vereinigte Königreich in den Fesseln der EU-Kontrolle zu halten", kommentierte die nordirische DUP Tusks Höllen-Sager. Der Tweet der Unionisten könnte für die Schuldzuweisungen der Brexiteers kaum exemplarischer sein: Tusk und "seine arroganten EU-Verhandler" hätten die "Flammen der Angst entfacht", als sie versuchten, sich über das Ergebnis des Brexit-Referendums zu erheben. Dramatische Worte. Für Brexiteers, so scheint es, ist ein guter Platz in der Hölle immer noch besser als einer unter vielen am Verhandlungstisch.