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Hass als Botschaft

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Im Angesicht des Unfassbaren klammern wir uns an eingeübte Standards. Auch deshalb kommen einem die Reaktionen auf die rassistischen rechtsextremistischen Terroranschläge auf betende Muslime in Christchurch vertraut vor: Worte des Abscheus über die Taten, der Beteuerungen der Solidarität mit den Opfern, der Entschlossenheit im Kampf gegen Rassismus und Extremismus.

Alles richtig und wichtig - und trotzdem nur eine Annäherung an die für viele im Westen nur schwer erträgliche Tatsache, dass es zwischen den für YouTube inszenierten Enthauptungen unschuldiger Menschen durch islamistische Terroristen und der live ins Internet übertragenen Massenhinrichtung unschuldiger Menschen durch Rechtsextremisten keinen Unterschied gibt, keinen kulturellen und schon gar keinen menschlichen. Sie alle sind, obwohl selbst Menschen, schlicht Menschenfeinde.

Was dem großen Rest der Menschen nicht die Verantwortung nimmt, für sich zu klären, was gegen solche Menschenfeinde zu tun sei. Das beginnt mit der Frage nach den Ursachen. Die Mörder sehen sich im Dienste einer höheren Sache, sie sind Überzeugungstäter im Wortsinn. Kulturelle Identität ist das Schlachtfeld ihrer Wahl, sei es nun Rasse oder Religion. Die Mörder von Christchurch handelten also im Einklang mit dem Zeitgeist. Für oder gegen den Kapitalismus zu morden, kommt heute keinem mehr in den Sinn. Die Angst vor dem Verlust kultureller Identität gibt weltweit den Takt in politischen Streitfragen vor. Das führt zur Frage nach der Verantwortung einer Politik, die mit dieser Angst Stimmung macht.

Vor allzu simplen Antworten sollte man sich jedoch hüten. Politik hat es selten in der Hand, auf Themen ohne jeden realen Bezug zu surfen. Das heißt im Umkehrschluss: Ein Ignorieren dieser Sorgen durch die Politik würde das grundsätzliche Problem nicht lösen. Eher wäre wohl das Gegenteil der Fall.

Im Wissen um die Energie, um die nackte Gewalt, welche die Angst um Identität auslösen kann, liegt jedoch die Verantwortung der Politik, nicht noch Öl in dieses lodernde Feuer zu gießen.

Zweifellos zielt diese Generation von Terroristen auf größtmögliche Öffentlichkeit ab. Ihnen diese zu verweigern, wäre wohl ihre größte Niederlage. Leider geben wir den Tätern die bestmögliche Technologie zur Hand, ihre Taten in Echtzeit in die Welt zu senden - samt einer Kultur des Wissenwollens, die zum Kommentieren und Verbreiten anleitet. Ein Totschweigen der Mörder hätte aber auch Folgen für die Opfer.

Am Ende bleibt die Einsicht, dass sich das Wesen des Einzelnen der Idee vom kulturellen Fortschritt entzieht. Wir, jeder ist grundsätzlich zu allem fähig. Ein Vorwand findet sich immer. Und auch solche, die damit Politik machen.