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Demnächst am 26. Oktober

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Im Artikel I des Neutralitätsgesetzes heißt es: "Zum Zwecke der dauernden Behauptung seiner Unabhängigkeit nach außen und zum Zwecke der Unverletzlichkeit seines Gebietes erklärt Österreich aus freien Stücken seine immerwährende Neutralität. Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen." Und weiter: "Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut."

Es mutet einigermaßen bizarr an, dass diese Republik allzeit bereit ist, jedes Detail jedes umstrittenen Gesetzes vor den Verfassungsgerichtshof zu zerren, aber wenn die Obersten Verwaltungsorgane des Bundes die Überzeugung äußern, dass das Bundesheer - zur Selbstverteidigung kommen noch Katastrophenschutz und humanitäre Auslandseinsätze - aufgrund gewohnheitsmäßiger finanzieller Geringschätzung nicht imstande sei, seinem Verfassungsauftrag nachzukommen, schon am Tag danach alle wieder zur Tagesordnung zurückgehen.

Wenn es um Themen wie Mindestsicherung, Pensionen, Bildung, Universitäten, Asyl oder Symbolgesetze wie das Kopftuchverbot geht, ist die politische Energie schier unerschöpflich, wenn auch nur von einer Seite die Vermutung einer möglichen Verfassungswidrigkeit im Raum steht. Als nun aber Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Verteidigungsminister Mario Kunasek ganz unverblümt in öffentlicher Rede dem Bundesheer die Fähigkeit zur Erfüllung seines verfassungsmäßigen Auftrags absprachen, geschah exakt . . . nichts.

Natürlich war dies eine politische Rede und keine juristische Feststellung. Und tatsächlich haben beide nicht gerade eines der bestgehüteten Geheimnisse der Republik gelüftet: Der Zustand der militärischen Landesverteidigung ist allgemein bekannt und wenn schon nicht bewusst herbeigeführt, so doch billigend in Kauf genommen. Die Verantwortung dafür verteilt sich auf viele Schultern - Politiker, Bürger, Öffentlichkeit und die Soldaten natürlich miteingeschlossen.

So gesehen müsste man etwaige Protestäußerungen zum Zustand des Bundesheers tatsächlich als scheinheilig zurückweisen. Ist aber gar nicht notwendig, weil davon ohnehin keine Rede sein kann. In Wien finden jährlich rund 8000 öffentliche Kundgebungen statt, die sich aller möglichen und unmöglichen Anliegen annehmen. Dass dabei der kritische Zustand des Heeres je Thema war, ist nicht bekannt. Vielleicht sollten die Soldaten zum nächsten Staatsfeiertag am Heldenplatz keine Leistungsschau veranstalten, sondern darauf hinweisen, wozu es nicht mehr in der Lage ist - oder noch nie war -, es aber vielleicht doch besser sein sollte.