Zum Hauptinhalt springen

Engere Maschen im Netz

Von Bernhard Baumgartner

Leitartikel
Bernhard Baumgartner ist Redakteur im Kultur-Ressort der "Wiener Zeitung".
© WZ / Thomas Seifert

Mit dem "digitalen Vermummungsverbot" bei Meinungsäußerungen im Internet wird nun in kurzer zeitlicher Folge die dritte Regulierung beschlossen, die in der Netzgemeinde nicht nur Befürworter hat. Die digitale Konzernsteuer soll sicherstellen, dass Gewinne, die online in Österreich erwirtschaftet werden, zumindest teils auch hier versteuert werden. Die zweite Regelung, das EU-Urheberrecht, soll die Netzriesen dazu zwingen, Gewinne, die sie mit Inhalten dritter machen, mit den Urhebern zu teilen. Die dazu vorgeschriebene Vorab-Kontrolle mit Uploadfiltern war (auch aufgrund des Lobbyings beider Seiten) eine der umstrittensten EU-Gesetzesprozesse seit langem. Nun kommt also das "digitale Vermummungsverbot", das das Auffinden von Account-Inhabern bei Straftaten wie Beleidigungen beschleunigen soll. Accounts dürfen künftig bei großen Betreibern nur dann posten, wenn sich ihre Inhaber einmalig mittels Mobiltelefon identifiziert haben. Auf eine Verpflichtung zur Verwendungen von Klarnamen hat man verzichtet, Pseudonyme sind also auch weiterhin zulässig.

Die rechtlichen Schwierigkeiten der neuen Regelung einmal beiseite gelassen, wirken die Neuerungen überschaubar wie auch maßvoll. Wer angesichts dessen von einer "Abschaffung der Anonymität im Internet" spricht, hat das Netz schon zuvor nicht verstanden. Den selbstverständlich war schon bisher technisch nachvollziehbar, wer sich hinter einem Pseudonym verbirgt. Zudem waren Beleidigungen, Drohungen, Hetze oder gar Nötigung stets auch online strafbar. Ob diese auf gedrucktem Papier stehen oder auf einem Bildschirm war und ist rechtlich irrelevant. Dass nun der Prozess der Aushebung der Account-Daten beschleunigt wird, behebt das Problem, dass dieses Recht bisher nur mit Geduld, Kosten und Aufwand durchsetzbar war. Das sollten nicht nur Opfer von digitaler Belästigung befürworten. Zu seinem Recht zu kommen sollte nicht davon abhängen, ob man ein Verfahren durchstehen kann.

Und dennoch: Kaum jemand wird ernsthaft bestreiten wollen, dass der persönliche Umgang miteinander im Netz ein Maß an Verrohung als Normalzustand angenommen hat, den es offline schlicht so nicht gibt. Niemand muss sich von anonymen Accounts mobben oder beschimpfen lassen, bloß weil er eine andere Meinung vertritt. Dass diese Probleme auch bei Plattformen mit Klarnamen vorkommen, zeigt zudem, dass die User im Netz prinzipiell nicht davon ausgehen, belangt zu werden. Sicherlich: Die neue Regelung ist ein kleiner Schritt und wird das Grundproblem nicht lösen können. Deswegen zu resignieren oder generell auf forcierbare Regeln zu verzichten, wäre auch inakzeptabel.