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Die Lage in Österreich

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Es war schon einfacher, sich einen klaren Blick auf die Zustände im Land zu bewahren. Die Politik ist für die normalen Bürger dabei wenig hilfreich. Und wenn man es genau nimmt, dann ist sie sogar hinderlich. Parteien sind, no na ned, nun einmal parteiisch.

Was so verstörend wirkt, sind die Extreme, die bei der Suche nach einer halbwegs realistischen Sicht auf die politisch-soziale Lage abgeschritten werden müssen. Da sind diese ständig wiederkehrenden Einzelfälle aus dem erweiterten Lager des freiheitlichen Spektrums: Querverbindungen zu den rechtsextremen Identitären, dichtende Vizebürgermeister, die die Gesellschaft und ihre Probleme mit Migration aus der Perspektive von Kanalratten beschreiben, und jenseitige Plakate von Jugendorganisationen.

Der Bundespräsident sieht sich veranlasst, vor der "Vergiftung des gesellschaftlichen Klimas in unserem Land" zu warnen. Die Opposition sowieso, diverse Rankings und nun auch der Vorgänger des aktuellen ÖVP-Obmanns attestieren der Regierung die schrittweise Einschränkung von Freiheitsrechten. In der wichtigsten Nachrichtensendung wird der freiheitliche EU-Spitzenkandidat und Generalsekretär nach Parallelen zum zentralen NS-Hetzorgan befragt, woraufhin er dem prominenten Moderator recht unverhohlen droht.

Und dann ist da die generelle Aggressivität, welche die politische Debatte seit Jahren prägt. Und es wird und wird nicht besser, sondern immer noch aggressiver. Nicht einmal eine Lappalie wie das Bio-Energiegesetz schafft es noch, ohne tiefe persönliche Untergriffe im Nationalrat abgewickelt zu werden.

Wer nur diese Aufzählung kennt und sich keine Sorgen macht, verfügt über ein robustes Gemüt. Und tatsächlich ergibt sich daraus kein umfassendes Bild von Österreich.

Dass das Klima zwischen den Parteien und Engagierten vergiftet ist, heißt - noch - nicht, dass auch die breite Bevölkerung ähnlich polarisiert ist. Rechtsextremismus ist ein Problem (wie jeder andere Extremismus), aber Gerichte und Medien kennen längst kein Pardon mehr; und seit einiger Zeit zieht auch die FPÖ harte Konsequenzen bei Fehltritten.

Dass sich die FPÖ von Medien, insbesondere dem ORF, verfolgt fühlt, ist auch ein Mittel zum freiheitlichen Zweck, sich selbst als Opfer zu stilisieren. Die realen Bedrohungen für die Medienfreiheit sind wirtschaftlicher, nicht politischer Natur. Und Österreichs Gesellschaft wie Sozialsystem sind ungebrochen hoch attraktiv, jedenfalls für alle, die von außen auf das Land blicken. Und offen sind wir noch dazu: Pro Kopf hat Österreich 2018 die meisten Flüchtlinge aller EU-Staaten aufgenommen.

Österreich bleibt kompliziert.