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Kühles Spiel mit Krieg

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Die Menschheit rätselt bis heute, wie sich am ehesten Frieden bewahren und Krieg verhindern ließe. Auch 5500 Jahre nach dem ersten Krieg der Menschheitsgeschichte - also dem geplanten, mit militärischen Mitteln ausgetragenen gewaltvollen Konflikt zwischen zumindest zwei größeren Bevölkerungsgruppen -, der laut archäologischen Forschungen im heutigen irakisch-syrischen Grenzgebiet ausgetragen wurde, sind wir diesbezüglich nicht wirklich weitergekommen. Die Gefahr einer militärischen Eskalation des Streits um das iranische Atomprogramm ist dafür der aktuellste Beleg.

Im Grunde genommen stehen einander zwei radikale Prinzipien gegenüber: Das eine schwört auf die abschreckende Wirkung eines massiven Gegenschlags, sei er nuklear oder konventionell: "Si vis pacem para bellum", was auf Deutsch so viel heißt wie: "Wenn du den Frieden willst, bereite den Krieg vor." Die Gegenposition wird von Pazifisten vertreten, für die allein schon Produktion und Besitz von Waffen die Möglichkeit ihres Einsatzes einschließen. In der Realität hat sich weder das eine noch das andere Prinzip wirklich bewährt.

Die Frage von Krieg oder Frieden hängt nicht allein von den damit verbundenen Kosten und Zielen ab. Entscheidend ist das Verständnis von den Absichten der Gegner. Hier liegt das größte Risiko. Missverständnisse, ausgelöst durch widersprüchliche oder zweideutige Botschaften, sind das schlimmste Gift. Das ergibt schon unter normalen politischen Bedingungen ein hochexplosives Gemisch; von einem US-Präsidenten, der fast stündlich seinen Standpunkt ändert, geht dabei wegen seiner Unberechenbarkeit ein höchstpersönliches Sicherheitsrisiko aus.

Geht es den USA tatsächlich nur um das umstrittene Atomprojekt des Iran oder nicht doch um das Ziel eines Regimewechsels? Ist das Weiße Haus am Ende bereit, militärische Mittel einzusetzen, oder sind wirtschaftliche und politische Sanktionen das Mittel zum Zweck? Natürlich kann solche Zweideutigkeit kühle Strategie sein, weil die US-Strategen davon ausgehen, dass man in Teheran eher einlenkt, wenn wirklich ein Waffengang droht. Aber mit Gewissheit vermag das niemand zu sagen, die Entscheidungsstrukturen im Iran sind von außen genauso wenig zu durchschauen. Die Theorie von Staaten als restlos rationalen Akteuren ist eben nur eine Theorie. Ohne offene Kommunikation über Ziele, Absichten und Interessen bleibt ein Rest von Unsicherheit und Krieg aus Missverständnis eine reale Option.

Und Europa? Der Union bleibt nur die Rolle als Dolmetscher und Mediator. Deutlicher wurde den EU-Staaten ihre realpolitische Machtlosigkeit im eigenen strategischen Hinterhof noch selten vor Augen geführt.