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Kein Vertrauen in die SPÖ

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Österreichs Parteien haben auf den letzten Metern diese EU-Wahl unter dem Eindruck der Selbstentblößung der Freiheitlichen zu einem Votum über die Innenpolitik umgewandelt. Und die Wähler haben ein klares Urteil gefällt.

Noch-Bundeskanzler Sebastian Kurz geht mit einem deutlichen Wahlsieg gestärkt in den Wahlkampf für die Nationalratswahl im Herbst; dass die SPÖ vor der Ibiza-Affäre in den Umfragen besser dastand als im Wahlergebnis danach, zeigt überdeutlich, dass die langjährige Kanzlerpartei von den Wählern nicht als Alternative zur Kurz-ÖVP betrachtet wird. Wäre der Nationalrat gewählt worden, würden ÖVP und FPÖ trotz des Bruchs der Koalition nach wie vor über eine stabile parlamentarische Mehrheit verfügen.

Für das Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Kurz beziehungsweise die gesamte Bundesregierung bedeutet dieses Ergebnis, dass das Dilemma für die SPÖ noch größer geworden ist. Während die FPÖ keinerlei Rücksicht mehr auf Anflüge von staatspolitischer Verantwortung machen muss, weil sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der neuen Bundesregierung nicht angehören wird, kann Pamela Rendi-Wagner nur falsche Entscheidungen treffen. Jedenfalls keine richtige.

Kurz abwählen, ist außerhalb linker Aktivisten nicht wirklich populär, zumal auch der Bundespräsident recht eindeutig für einen Verbleib der Regierung eintritt. Um Kurz im Amt zu belassen, hat sich die erweiterte Parteispitze wohl bereits zu deutlich festgelegt. Ein Rückzieher im letzten Augenblick würde den Eindruck bestätigen, dass die SPÖ nicht weiß, was sie wollen soll.

So eindeutig die Botschaft der österreichischen Wähler ist, so vieldeutig ist das Gesamtergebnis für die EU-Wahl. Die Klimapolitik hat eindeutig als Trägerrakete für etliche Grün-Parteien fungiert, auch in Österreich, aber vor allem in Deutschland, wo die Ökopartei mit Platz zwei einen historischen Erfolg gefeiert hat. Umgekehrt hat sich der medial groß angekündigte Sturm der Rechtsnationalisten und Extremisten auf Brüssel als steife Brise herausgestellt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

In Summe hat diese geballte Sorge um die Zukunft - die politische fokussiert auf die Union, die ökologische auf die Erde als Ganzes - zu einer deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung beigetragen. Was das EU-Parlament in der kommenden Periode aus diesem Mandat macht, bleibt abzuwarten. Die traditionellen Bündnisse zwischen der rechten und linken Mitte reichen nicht mehr, Grüne und Liberale werden für ihre Stimmen Zugeständnisse erwarten. Gut so, denn das ist die Idee des Parlamentarismus.

Aber zu Europa gehört auch der Rat der Regierungschefs. Und gerade auf nationaler Ebene hinterlässt diese Wahl da und dort veritable Trümmerlandschaften, vor allem in Großbritannien, aber auch in Deutschland, Frankreich oder Rumänien. Die große Koalition in Berlin etwa erleidet ein historisches Debakel; die SPD steht vor dem politischen Abgrund. Auch das wird zum Vermächtnis der Ära Merkel gehören.