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Trump, reloaded?

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

Was, wenn Trump bleibt? Diese bange Frage steht seit Dienstagabend im Raum.

Denn gestern trat Präsident Donald Trump in Orlando, Florida vor seine Unterstützer. Er wird 2020 wieder in den Ring zu steigen, erklärte er - und seine Fans jubelten frenetisch.

Der offizielle Start seiner Kampagne - 17 Monate vor der Wahl - kommt aber nicht überraschend: Donald Trump ist seit seinem Einzug ins Weiße Haus am 20. Jänner 2017 im Kampagnenmodus. Er hat mit dem Wahlkämpfen nie aufgehört. Denn Wahlkampfauftritte mit ihren simplen Botschaften und eingängigen Slogans machten ihm stets mehr Spaß als die komplizierten, komplexen und langweiligen Regierungsgeschäfte. Trump liebt es, vor den Massen zu sprechen, er braucht es, im Scheinwerferlicht zu stehen und es gefällt ihm, seine eigene Stimme - verstärkt durch leistungsstarke Lautsprecher - zu hören und sich von treu ergebenen Fans anhimmeln zu lassen. Dazu kommt: Im Amway Center in Orlando gab es keine Journalistenfragen und niemanden, der Trump auf seine Übertreibungen, Falschaussagen und flagranten Lügen hinwies.

Für seine Basis ist Trump ein Held. Und als solcher sieht er sich am liebsten.

Trump setzte in seiner Rede auf die alten Gassenhauer: Hillary Clinton ist eine Hexe, die Müller-Ermittlungen in der Russland-Causa sind eine Hexenjagd, Einwanderer sind pfui, eine Mauer muss her, America first.

Kurz: Trumps greatest hits.

Trotzdem: Trump konnte nie die Mehrheit der US-Amerikaner hinter sich versammeln, Hillary Clinton hatte bei der Wahl am 8. November 2016 um exakt 2.868.691 Stimmen mehr als Trump (48,18 Prozent verglichen mit 46,09 Prozent). Seit seiner Wahl gelang es dem derzeitigen US-Präsidenten zu keinem Zeitpunkt, in den Meinungsumfragen die Amerikanerinnen und Amerikaner von seiner Amtsführung zu überzeugen: Stets hatte er eine Mehrheit der US-Bürger gegen sich.

Trumps Kandidatur ist nun für die Demokraten ein unglaublicher Motivator: Denn auch wenn nun insgesamt 23 Kandidaten um das Präsidentenamt rittern, was sie eint ist, dass sie Donald Trump lieber heute als morgen aus dem Amt jagen möchten.

Die Republikaner sind in Nöten. Vor allem die jungen Unterstützer laufen ihnen davon - die unappetitliche Altherrenart Trumps kommt bei den Millennials eben nicht gut an. Und auch in den wohlhabenderen Speckgürteln der US-amerikanischen Städte - bisher traditionelle Hochburgen der Republikaner - bröckelt die Unterstützung weg. Denn das konservative Bürgertum ist angeekelt von Trumps vielfältigen Charakterschwächen.

Doch derzeit hat Trump das Momentum auf seiner Seite - er marschiert mit einer gut geölten Wahlkampfmaschinerie los, während seine Gegner sich noch nicht einmal auf einen Kandidaten geeinigt haben. Zudem ist es Trump gelungen, die vielen Kleinspender von 2016 bei der Stange zu halten und sogar welche hinzuzugewinnen.

Trotz verheerender Umfragewerte ist also eine Wiederwahl Trumps derzeit nicht unvorstellbar. Vor allem, wenn der Mann im Weißen Haus Krisen provoziert, die die US-Wählerinnen und -Wähler verunsichern und den Faktor Angst in den Wahlkampf bringen: Eine militärische Konfrontation mit dem Iran oder eine wirtschaftliche mit China plus einer Flüchtlingskrise an der Grenze zu Mexiko würde Trump gut in seine Bedrohungs-Rhetorik passen.

Europa sollte sich daher vorsichtshalber Trumps Wiederwahl miteinkalkulieren.

Die Strategie war bisher, die USA weiter als verlässlichen transatlantischen Partner zu betrachten - trotz Trumps plumpen Angriffen auf die Europäische Union. Würde man einem Wladimir Putin oder Xi Jinping eine offene Unterstützung des Brexit, niveaulose Angriffe auf Angela Merkel, den Londoner Bürgermeister Sadiq Khan oder EZB-Chef Mario Draghi und ständige Drohungen mit einem Handel- und Währungskrieg durchgehen lassen? Wohl kaum.

Die Antwort der EU kann daher nur lauten: Eine Stärkung der Union, engeres Zusammenrücken in der Außenpolitik und eine Verstärkung der militärischen Schlagkraft, um sich von den USA und der Nato unabhängiger machen zu können.