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Eine Deutsche - na und?

Von Martyna Czarnowska

Leitartikel
Martyna Czarnowska ist Redakteurin in der "Außenpolitik".
© Wiener Zeitung

Die erste Frau - erwähnenswert. Die erste Deutsche seit einem halben Jahrhundert - na und? Als Ursula von der Leyen als künftige EU-Kommissionspräsidentin nominiert und nun gewählt wurde, wurde ihre Rolle als Vorreiterin bei der Besetzung der Spitze der Brüsseler Behörde durchaus unterstrichen. Dass damit eine Deutsche den mächtigen Posten übernimmt, wurde in der letzten Zeit hingegen viel seltener kommentiert. Vor ein paar Jahren noch hätte das wohl anders ausgesehen - und nicht zuletzt Frankreich hätte zu den EU-Ländern gehört, die vor zu viel Einfluss der Deutschen in der Gemeinschaft gewarnt hätten. Doch nun stellte sich Paris keineswegs quer, als das Amt des Kommissionspräsidenten an eine Deutsche gehen sollte. Vielmehr hat Frankreich den Kompromiss zwischen den EU-Regierungen mit ermöglicht - und stand nach der Vergabe mehrerer Topposten selbst als einer der Gewinner da.

Dass dies in enger Absprache mit Deutschland geschah, muss aber nicht bedeuten, dass sich das Machtzentrum der EU zwischen Berlin und Paris entfaltet. Deutschland und Frankreich werden zwar auch weiterhin eine wichtige - und manchmal entscheidende - Stimme in der Gemeinschaft haben. Aber die Bündnisse in der Union sind keineswegs starr, vielmehr können sie von Thema zu Thema variieren. So vertraten Berlin und Paris in der Personaldebatte zunächst unterschiedliche Meinungen - um dann im Kreis der Staats- und Regierungschefs gemeinsam für eine pragmatische Lösung einzutreten.

Daher ist auch denkbar, dass bei anderen Diskussionen andere Partner den Ton angeben. Eine Ländergruppe rund um die Niederlande beispielsweise. Oder es bilden sich völlig neue Allianzen.

Wie viel Gewicht wiederum die neue Kommission im Zusammenspiel der EU-Institutionen haben kann, wird sich noch weisen. Viel hängt davon ab, mit welchen Personen von der Leyen ihre Behörde besetzt - und wie viel sie sich dabei von den Regierungen diktieren lässt.

Und das EU-Parlament? Das hat in den Debatten rund um die Fixierung der Topjobs einen schwachen Start hingelegt. Auf einen eigenen Kandidaten für den Posten des Kommissionspräsidenten konnte es sich nicht einigen. Die Brüche im Abgeordnetenhaus zeigten sich nicht nur zwischen den Fraktionen, sondern auch in den Parteienfamilien selbst. Dabei wird auch die Volksvertretung mehrheitsfähige Bündnisse schmieden müssen, um ihre Interessen durchzusetzen.

Dass sich bei all dem Ringen um Einfluss die Klüfte zwischen den Institutionen, den Ländern, den Parteien nicht vertiefen, wird eine der Aufgaben für von der Leyen sein. Das hat die Politikerin schon selbst bemerkt.