Zum Hauptinhalt springen

Die große Hitze

Von Thomas Seifert

Leitartikel
Thomas Seifert ist stellvertretender Chefredakteur der "Wiener Zeitung".
© WZ

Hitzewelle. Menschen, die Schwimmbäder stürmen, sich im Eissalon einen Becher Coppa Cioccolato gönnen und in der schattigen Wiese oder auf dem Balkon die Lektüre der "Wiener Zeitung" oder eines guten Buches genießen.

Alles paletti, oder?

Leider nein.

Auch wenn einige Zeitungen das Thema immer noch mit Bildern von jungen Frauen in Bikinis, die ihre Seelen am Schwimmbadbeckenrand baumeln lassen, oder Kindern, die quietschvergnügt durch einen Wasserfontänenbrunnen hüpfen, illustrieren.

Die in immer rascherer Folge und immer extremer ausfallenden Hitzewellen sind nicht nur die Zeichen an der Wand der drohenden Klimakatastrophe, sondern stellen schon heute vor allem Städte vor Riesenprobleme. Denn der Betondschungel heizt sich tagsüber auf Wüstentemperatur auf, und die vom Beton, Ziegeln, Asphalt, Stahl und Glas gespeicherte Wärme wird in die laue Sommernacht abgegeben. Wenn die Temperatur dann auch in der Nacht nicht mehr unter 20 Grad sinkt, sprechen die Meteorologen von Tropennächten. Klingt romantisch - ist es aber nicht.

Die Hitzewelle ist nicht nur auf Europa beschränkt: In Chicago und New York wurden 34 Grad gemessen, dem National Weather Service in Omaha (Nebraska) gelang es, Biskuits in einem Auto zu backen - innerhalb einer Stunde hatte es auf dem Backblech, das auf dem Armaturenbrett abgestellt war, 80 Grad.

Klingt witzig - ist es aber nicht. 2018 starben in den USA 38 Kinder in Autos, die in der Hitze stehengelassen worden waren.

Während der Hitzewelle in Europa im Jahr 2018 kamen in Schweden 700 und in Dänemark mehr als 250 Menschen ums Leben. Die fünf heißesten europäischen Sommer in den vergangenen 500 Jahren waren alle in den vergangenen 15 Jahren.

Wieder gilt: Vor allem die Städte werden die Hitze zu spüren bekommen. Städte sind aber auch der Schlüssel zur Lösung der Klimakrise. Denn derzeit leben weltweit rund 55,3 Prozent aller Menschen in Metropolen, der größte Teil der ökonomischen Aktivität entfällt auf Städte. Zwei Drittel des Weltenergieverbrauchs und gut 80 Prozent der globalen CO2-Emissionen gehen auf das Konto von Städten. Aber Städte sind auch - nicht zuletzt dank kürzerer Verkehrswege und dichterer Verbauung - energieeffizienter als Siedlungen auf dem Land. Städte sind anpassungsfähig und ein Labor für neue Ideen. Mithilfe innovativer Verkehrssysteme sowie umweltgerechter Architektur und Stadtplanung, aber auch dank smarterem und bewussterem Konsum der Städter haben Städte es in der Hand, ihren Energieverbrauch drastisch zu senken. Genau daran wird kein Weg vorbeiführen.