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Das Wesen des Deals

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Es ist noch gar nicht so lange her, da prägten noch internationale Verträge die Beziehungen zwischen den Staaten. Heute reden alle, die Medien miteingeschlossen, und am allerliebsten Donald Trump und Boris Johnson, nur noch von einem "Deal". Der längst ins Deutsche übernommene Begriff stammt aus dem Englischen und kann ebenfalls einen formellen Vertrag bezeichnen. Aber sehr viel häufiger steht er für Geschäft, Übereinkunft oder Abmachung.

Sprachlich betrachtet ist ein Deal also eine etwas weniger dauerhafte, weniger förmliche, dafür umso flexiblere Übereinkunft zwischen den Beteiligten, bei der vor allem der opportunistische Aspekt zum Vorschein kommt. Einen Deal macht man nur dann, wenn die Kassa stimmt.

Es sind Händler und Spieler, die hier miteinander am Tisch sitzen. Zum Bild von Staatsmännern und Staatsfrauen, die hart um eine Lösung ringen, passt der Begriff dagegen nicht wirklich. Verträge sind ein Relikt aus vergangenen Tagen; der Deal ist, jedenfalls was die Politik angeht, ein Markenzeichen des 21. Jahrhunderts.

Dazu zählt auch, dass Verhandlungen von großer internationaler Brisanz nicht länger ausschließlich hinter verschlossenen Türen stattfinden, sondern immer häufiger vor den Augen der interessierten Öffentlichkeit. Das soll für Transparenz und begleitende demokratische Kontrolle sorgen, tatsächlich wurde durch den Einbezug der Öffentlichkeit aber vor allem der spieltheoretische Charakter der Verhandlungen weiter verstärkt. Die Inszenierung schlägt nun den Inhalt, der Schein das Sein.

Verhandlungen werden so zur perfekten Bühne für Politikerdarsteller, die es auf den Eindruck - weniger die Tatsache - eines öffentlichen Erfolgs anlegen. Und zu diesem Zweck sind viele Mittel recht.

Die Deal-Maker unter den Politikern profitieren dabei von der Abneigung einer massenmedialen Öffentlichkeit, sich mit den mühsamen Details komplexer Sachverhalte und Verhandlungen auseinanderzusetzen. Das Medium bestimmt die Botschaft. Und die Reaktion der Öffentlichkeit prägt wiederum die weitere Dynamik des Deal-Makings.

Spannend wird sein, ob es tatsächlich gelingen kann, als erfolgreicher Deal-Maker in der Öffentlichkeit dazustehen, auch wenn die Abmachung keinerlei substanziellen Erfolg bereithält. Oder anders formuliert: Kann es einem geschickten Kommunikator und begnadeten Selbstvermarkter gelingen, den eigenen Wählern ein Unentschieden als Sieg und eine Niederlage als Unentschieden zu verkaufen? Wenn, dann wäre dies tatsächlich die größtmögliche Niederlage für jede liberale Öffentlichkeit. Denkunmöglich ist es längst nicht mehr. Nicht einmal in Europa. Auch deshalb ist der Brexit relevant.