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850.000 Parteibüttel?

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
Walter Hämmerle.
© Luiza Puiu

Sind Menschen mit Parteibuch per se befangen? Oder gilt auch hier - bis zum Beweis des Gegenteils - ein Vertrauensvorschuss in die persönliche Unabhängigkeit?

Die Frage ist vor dem Hintergrund der Ibiza-Ermittlungen politisch brisant: FPÖ und Peter Pilz werfen der Sonderkommission im Bundeskriminalamt ungebührliche Nähe zur ÖVP vor, da offensichtlich einige der Beamten über ein ÖVP-Parteibuch verfügen. Sowohl Innenminister Wolfgang Peschorn als auch Justizminister Clemens Jabloner betonen die Unabhängigkeit sämtlicher Ermittlungen.

Man könnte es sich jetzt leicht machen und auf die doppelten Standards der Kritiker hinweisen. Die FPÖ fand schließlich nichts dabei, dass der Einsatzleiter bei der Razzia im Bundesamt für Verfassungsschutz ein FPÖ-Kommunalpolitiker war, der vom damals FPÖ-nahen Generalsekretär des Innenministeriums vorgeschlagen wurde. Und im Universum von Peter Pilz verdient überhaupt nur Peter Pilz einen Vertrauensvorschuss.

Aber um es sich so leicht zu machen, ist die Sache zu ernst. Die Frage, was ein Parteibuch aus einem Menschen macht, geht an die politisch-gesellschaftliche Substanz in einem Land, in dem noch immer - laut Eigenangaben der Parteien - rund 850.000 Bürger ein Parteibuch haben, wobei mehr als 90 Prozent auf ÖVP und SPÖ entfallen. (Die Tendenz ist stark fallend, in den 1970ern war nahezu jeder Vierte Mitglied einer Partei.)

Menschen mit Parteibuch finden sich quer durch die Gesellschaft; Manager zählen ebenso dazu wie Arbeiter, Wissenschafter ebenso wie Künstler, Lehrer in Klassenzimmern und Beamte in der Spitzenverwaltung, und natürlich auch Journalisten, Richter, Staatsanwälte und Polizisten. Allesamt Berufe und Berufungen, die ohne charakterliche Unabhängigkeit nicht - oder jedenfalls nicht im Sinne der Gesellschaft - ausgeübt werden können. Was übrigens auch für Politiker in gewählten Funktionen gelten sollte, die in ihrer überwiegenden Mehrzahl ebenfalls Parteimitglieder sind.

Und wer mit Parteien ein Problem hat, was ist dann mit politisch engagierten NGOs und sonstigen Vereinen? Ist eine ÖVP- oder Grünen-Mitgliedschaft tabu, aber ein Engagement für Attac, Volkshilfe oder die Freimaurer okay? Und soll künftig jeder in Berufen, wo es auf absolute Unbefangenheit ankommt, sämtliche Mitgliedschaften offenlegen müssen?

Solche Ideen grenzen an totalitäre Fantasien (gesetzlich durchsetzbar sind sie ohnehin nicht). Die Fähigkeit zur Unabhängigkeit lässt sich nicht an Mitgliedschaften festmachen. Das muss auch für das Parteibuch gelten. Aber wehe, wenn Parteilichkeit durchschlägt, wo Überparteilichkeit das Grundprinzip sein muss. Dann sind Konsequenzen unerlässlich.