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Afghanisches Labyrinth

Von Michael Schmölzer

Leitartikel

Als die USA 2001 mit einer internationalen Allianz in Afghanistan einmarschierten, hatten sie viel vor: Zunächst sollten die Taliban, die den 9/11-Drahtzieher Osama bin Laden beherbergt hatten, für immer von der Bildfläche verschwinden. Dann sollte das Land in den Genuss demokratischer Wahlen und eines Rechtsstaates nach westlichem Vorbild kommen. Die Frauen sollten gleichberechtigt sein, alle Kinder Zugang zu Bildung erhalten.

So weit der hehre Vorsatz.

Wenn am Samstag in Afghanistan ein neuer Präsident gewählt wird, ist das ein Anlass, Bilanz zu ziehen. Und die fällt vernichtend aus: Die besiegt geglaubten Taliban sind stärker denn je. Militärisch ist ihnen nicht beizukommen, deshalb wollten die USA ein Friedensabkommen aushandeln - mit jenen Kräften, die in den 1990er Jahren ein fundamentalistisch-islamistisches Steinzeit-Regime errichtet haben; die für Terror und Massenhinrichtungen verantwortlich sind; die im Zuge der mittlerweile wieder abgebrochenen Verhandlungen Terroranschläge verübt haben - als aus ihrer Sicht legitimes Mittel, um den eigenen Standpunkt zu unterstreichen. Dass die USA sich ernsthaft auf Gespräche mit den Taliban eingelassen haben, zeigt nur, wie ratlos man in Washington ist.

US-Präsident Donald Trump hat bereits erklärt, dass seine Soldaten nicht länger am Hindukusch bluten sollen und er sie einfach abziehen will. Doch sind ihm die Nato-Partner mit einem gewichtigen Argument in den Arm gefallen. Schließlich war es die internationale Solidarität mit dem Terroropfer USA, die den Westen gemeinsam in die missliche Lage gebracht hat, in der man sich nun befindet. Jetzt, so das Argument, können die USA die Afghanen und die Bündnispartner nicht einfach im Stich lassen.

Die Wahlen, die nun in Afghanistan über die Bühne gehen sollen, sind jedenfalls eine reine Farce. Die Taliban kontrollieren weite Teile des Landes, dort wird nicht gewählt. Wo die Islamisten nicht das Kommando haben, drohen sie mit Anschlägen. Eine reguläre Auszählung der Stimmen gab es schon bei den vergangenen Wahlen im Jahr 2014 nicht. Es wurde systematisch gefälscht und betrogen. Die Politiker mit dem größten Einfluss, Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah, erklärten sich beide zum Sieger. Um den Streit nicht eskalieren zu lassen, ernannten die USA Ghani zum Präsidenten, für Abdullah wurde der Posten eines "Regierungsgeschäftsführers" geschaffen. Beide Politiker haben einander in den vergangenen Jahren bekämpft.

Ein Weg, wie die Afghanen und der Westen aus diesem Labyrinth wieder herauskommen, ist derzeit nicht in Sicht.