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Hilft der Alarmismus?

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Der Klimaplan wird für ÖVP wie Grüne zum Härtetest.


Völlig überraschend agiert die Interimsregierung - nicht nur, aber eben auch - beim Klima- und Energieplan wie eine Interimsregierung: Sie überlässt der künftigen Regierung das Gros der politischen Grundsatzentscheidungen. Diese muss die entsprechenden Maßnahmen und deren Folgen für Budget wie Bürger dann ja auch umsetzen und politisch den Kopf dafür hinhalten. Etwa wenn es um den Abbau bestehender Förderungen - etwa für Pendler oder Häuslbauer - respektive die Einführung neuer Anreizsysteme - geht.

Wobei ehrlicherweise auch schon vorher klar war, dass der Klimaplan der öffentlichen Erwartungshaltung nicht genügen wird, was auch immer das Expertenkabinett vorschlägt, um die vertraglich zugesagten Treibhausgas-Reduktion zu erreichen. Politik ist ihrem demokratischen Wesen nach zwingend evolutionär. Die aktuelle Stimmung sehnt dagegen einen Bruch mit dem Bestehenden herbei. Das können und sollen Technokraten und Beamte nicht leisten.

Der Klima- und Energieplan spielt mit Sicherheit eine zentrale Rolle bei den Sondierungen von ÖVP und Grünen, die ja womöglich ab Freitag zu konkreten Regierungsverhandlungen mutieren. Als klassische Querschnittsmaterie, die fast keinen Politikbereich unberührt lässt, berührt er beide möglichen Regierungspartner im Kern ihres politischen Selbstverständnisses: Für die Grünen geht es um ihre ureigenste Existenzberechtigung als Ökologiebewegung, für die ÖVP um den Anspruch, bei allen Maßnahmen wirtschaftspolitische Vernunft und Massenverträglichkeit sicherzustellen.

Die kommenden Wochen werden deshalb für beide Parteien zum Härtetest. Die öffentliche Klimadebatte wird von einem Alarmismus geprägt, bei dem offen ist, ob er hilft, allzu behäbige Repräsentanten der etablierten Politik zum Handeln zu bewegen; oder aber die apokalyptische Grundstimmung verleitet zu symbolischer Alibipolitik, die vielleicht aufgebrachte Demonstranten besänftigt, aber in der Sache selbst eher kontraproduktiv wirkt.

Eine Schlüsselrolle bei der Erreichung der Klimaziele wird die Bepreisung von CO2-Emissionen spielen. Bisher ist allein die Industrie einem EU-weiten Preisregime unterworfen. Der Klima- und Energieplan schlägt nun eine schrittweise Ausweitung dieses Regimes auf andere Sektoren vor. Für eine hochgradig exportorientierte Volkswirtschaft wie Österreich gebietet die Vernunft, dass eine solche Ausweitung auf EU-Ebene erfolgt. Die Einführung eines europäischen Flickenteppichs von CO2-Preisregelungen wäre ein Albtraum für die Idee vom Binnenmarkt. Aber bis die EU hier Taten setzt, kann es dauern. Doch die Zeit drängt, und die Öffentlichkeit will Ergebnisse sehen.