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Richtungswahl

Von Simon Rosner

Leitartikel

Ein Wahlergebnis ist kein Urteil, sondern eher ein Vorschlag.


Wie auch immer die steirische Landtagswahl ausgehen wird: Die Richtung wird stimmen. Zumindest, wenn man diesem seit der Nationalratwahl geflügelten Terminus eine tiefere Wahrheit zugrunde legt. Das hat mit der Weisheit der Wähler zu tun, auf die an Wahltagen und danach gerne verwiesen wird. Sie sind es, die den Parteien den Weg weisen. Und bekanntlich haben die Wähler immer recht. Aber was wollen sie mit ihrer kollektiven Weisheit sagen? Auch darüber wird man am Sonntag einige Deutungen zu hören bekommen. Die Wahlsieger sagen dann etwa, "ihr Kurs" sei gestärkt worden. Oder es fallen Sätze wie: "Wir sind für unsere Politik gewählt worden." Aber stimmt das auch? Der zum Landesvater wachsende ÖVP-Chef und Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer hat auf seine Wahlplakate einfach nur "Unserer" drucken lassen, sein Herausforderer Michael Schickhofer von der SPÖ konterte unter anderem mit "Schichtwechsel". Das ist schon ein sehr hochkonzentriertes Destillat eines politischen Programmes.

Über die diversen Wahlmotive sollte der Sonntag Auskunft geben; sicher ist, dass es verschiedene geben wird. Das ist immer so. Manche wollen Stabilität, einige einen Wandel. Die einen wählen nach Sympathie, die anderen nach Inhalten. Es ist zwar verständlich, wenn siegreiche Politiker ihr Wirken mit dem Hinweis auf den Wahlerfolg zu legitimieren versuchen. Es ist aber nicht immer sinnvoll. Das hat etwa Emmanuel Macron in Frankreich zu spüren bekommen. Er setzte ja um, was er angekündigt hatte. Aber offenbar war er nicht unbedingt dafür gewählt worden. Andernfalls wäre er in der Gunst der (eigenen) Wähler nicht so rasch gesunken.

Umgekehrt gilt freilich auch bei Wahlverlierern, dass nach einem Minus nicht grundsätzlich Personen, Inhalt und vielleicht noch die Parteifarbe getauscht werden müssen. Bestes Beispiel sind die Grünen, die sich nach dem Rauswurf zwar erneuerten, aber mit einem langdienenden Politiker und unveränderter Corporate Identity nur zwei Jahre später das beste Ergebnis aller Zeiten eingefahren haben.

Der Wähler mag tatsächlich weise sein, aber es spielen eben mehrere Faktoren mit. Der Zeitgeist, die allgemeine Performance einer Partei und eventuell attraktivere Alternativen. All das kann sich rasch ändern. Das ist die gute Nachricht für die Verlierer, die schlechte für die Sieger. Beide sollten aber in ein Wahlergebnis nicht mehr hineininterpretieren, als es ist. Es ist kein Urteil, eher ein Vorschlag. Denn würden die Wähler wirklich nur "den Kurs" einer Partei wählen (oder abwählen), wäre etwa Türkis-Grün im Bund unmöglich. Das ginge sich einfach nicht aus. Aber siehe da: Schon in der ersten Umfrage nach der Wahl war diese Koalition auf einmal die beliebteste.