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Vertrauen bringt nichts

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Vertrauen ist der beste soziale Kitt. Mit anderen Stärken kommt man in der Politik trotzdem weiter.


Vertrauen, nicht Euro, Dollar oder Gold, ist die härteste Währung unserer Zeit. Hoffentlich jedenfalls, denn Vertrauen hält eine Gruppe, eine Gesellschaft jenseits von gesetzten Normen zusammen. Ob man allerdings auf Vertrauen gezielt hinarbeitet, hängt davon ab, ob man anschließend auch einen Vorteil davon hat. Irgendeinen wenigstens. Sei es Geld, Ansehen oder eben Stimmen.

Ein Vertrauensindex, der von der Austria Presse Agentur und dem Meinungsforschungsinstitut OGM erstellt wurde, hat nun NGOs auf ihr Vertrauen bei der Bevölkerung getestet. Demnach genießen das höchste Vertrauen jene NGOs, die sich aus ideologischen und tagespolitischen Auseinandersetzungen heraushalten. Das Rote Kreuz, die Krebshilfe oder die SOS Kinderdörfer, die sich allesamt aus allzu eng gefassten politischen Auseinandersetzungen heraushalten, erzielten deshalb höhere Vertrauenswerte als zum Beispiel die aktionistische Umweltschutzgruppe Greenpeace, der kämpferische Menschenrechtsverein Amnesty International oder die kirchlichen Hilfsorganisationen Caritas und Diakonie.

Vertrauen ist also zweifellos wichtig und wertvoll, aber für ein vollständiges Bild des öffentlichen Stellenwerts braucht es noch den Faktor Aufmerksamkeit. Ohne Aufmerksamkeit gibt es keine öffentliche Existenz, weder von Organisationen noch von Personen. Allerdings kommt es dabei wesentlich auf die Dosierung an, denn mit der Aufmerksamkeit verhält es sich oft umgekehrt proportional zur Vertrauenswürdigkeit. Da Öffentlichkeit fast immer mit Zuspitzung und Parteinahme erkauft werden muss, leidet darunter die breite Akzeptanz.

Wer dieses Geschäft strategisch betreibt - und wer täte dies nicht? -, setzt darauf, dass die leidenschaftliche Anhängerschaft der Wenigen sich als wertvoller erweist als eine eher von Gleichgültigkeit getragene Respektabilität. Ob es am Ende um das Sammeln von Stimmen oder Spenden geht, macht den geringsten Unterschied aus.

Dass diese Strategie wunderbar aufgehen kann, deutet die steigende Spenden- und Unterstützungsbereitschaft für polarisierende Politiker und Projekte an.

Wenn dann noch ein System hinzukommt, bei dem politische Macht nicht vom Vertrauen der größtmöglichen Anzahl, sondern von der Leidenschaft der kleinsten notwendigen Minderheit anhängt, wie es etwa im Mehrheitswahlrecht der USA, Großbritanniens oder auch Frankreichs der Fall ist, droht Kompromissfähigkeit zum unbedankten Minderheitenprojekt abzusinken. Dass Vertrauen womöglich doch überschätzt wird, ist eine Möglichkeit, die verwirrt und irritiert.