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Abschied ohne Ende

Von Siobhán Geets

Leitartikel

Wir werden uns noch lange die im Streit mit den Briten ergrauten Haare raufen.


Zuletzt setzte sich der britische Premier Boris Johnson in einen Bagger mit der Aufschrift "Get Brexit Done" und fuhr durch eine Wand aus Pappkartons. Das darauf sichtbare Wort "Stillstand" zerbarst medientauglich, Johnson stieg strahlend aus dem Fahrzeug. Es war ein weiterer Höhepunkt in der Aneinanderreihung von Plattitüden, die Johnson im Wahlkampf bemühte, doch immerhin verlief die Show ohne einen weiteren peinlichen Zwischenfall.

In Großbritannien endet mit den heutigen Wahlen einer der schmutzigsten Wahlkämpfe in der Geschichte des Landes. Johnsons Verhältnis zur Wahrheit war zwar schon immer problematisch. Doch mithilfe der Sozialen Medien und zahlreicher Journalisten, die Falschmeldungen der Tories unhinterfragt teilten, war es diesmal besonders einfach, die Botschaft unters Volk zu bringen: Den Brexit durchziehen, das Chaos (der Anderen) beenden.

Doch es wird ein böses Erwachen geben. Selbst, falls Johnson eine Mehrheit erreicht und sein Land am 31. Jänner aus der EU führt: Sein Versprechen, "Get Brexit done", wird damit noch lange nicht Realität. Mit dem EU-Austritt ist die ersehnte Abnabelung keinesfalls erledigt, sondern bloß eingeläutet: Die künftigen Beziehungen werden erst nach dem Brexit verhandelt. Johnson will bis Ende 2020 ein Handelsabkommen mit der EU vereinbaren - ein unwahrscheinliches Szenario. In der Regel dauert das Jahre, bis dahin bleibt alles, wie es ist: London zahlt weiterhin in den EU-Haushalt ein, hat aber nichts mehr mitzureden. Insofern spielt es keine Rolle, wer die Wahlen gewinnt: Wir werden uns noch lange die im Streit mit den Briten ergrauten Haare raufen.

Bleibt Johnson Premier und weigert sich wie angekündigt, die Übergangsphase über 2020 hinaus zu verlängern, dann sind die alten Probleme zurück, darunter das Kernthema der Brexit-Verhandlungen: die irische Grenze. Johnsons Austrittsabkommen sieht vor, dass sich Nordirland weiterhin an die Regeln des Binnenmarkts hält, damit eine Grenze in Irland überflüssig wird. Wie das in der Praxis aussehen soll, muss aber erst verhandelt werden.

Die Frage lautet: Mit wem? Unter Johnson sind die Tories zu einer Partei der Extremisten geworden. Das Sagen hat eine Handvoll stinkreicher Brexiteers, die einen möglichst harten Bruch mit der EU wollen. Je härter der Brexit, desto komplizierter wird es für Nordirland, das als eine Art Brücke zwischen der EU und Großbritannien funktionieren muss. Im schlimmsten Fall könnte Irland in einem Jahr gezwungen sein, doch noch Grenzkontrollen einzuführen.

Die Wahlen im Vereinigten Königreich sind auch für Europa entscheidend.