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Materialist im Heiligen Land

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Trump wagt immerhin neue Wege in Nahost. Aber lassen sich Identität und Geschichte gegen Geld abtauschen?


Unmittelbar vor der Vorstellung des Nahost-Plans der USA am Dienstagabend hat Israel sein Militär im Jordantal verstärkt - einem strategisch wichtigen Gebiet in dem von Israel besetzten Westjordanland. Allein daran lässt sich ablesen, wie groß die Befürchtungen sind, dass die Palästinenser mit Wut und Gewalt auf die Präsentation des Friedenplans von US-Präsident Donald Trump reagieren könnten.

Zuvor (die Bekanntgabe der Details erfolgte nach Redaktionsschluss) wusste man von dem Plan eigentlich nur, dass er laut israelischen Medien der Israel-freundlichste sein soll, der je von den USA vorgeschlagen wurde. Sollte dem tatsächlich so sein, wird auch dieser Friedensplan das Schicksal seiner zahlreichen Vorgänger teilen und eben keinen Frieden zwischen Israelis und Palästinenser stiften.

Und warum sollte auch ausgerechnet Donald Trump, dem einstige enge Vertraute, die ihm heute in aufrichtiger Abneigung verbunden sind, die Konzentrationsfähigkeit eines Kindes attestieren, etwas gelingen, woran sämtliche großen Geister seit mehr als hundert Jahren scheitern.

Andererseits ist das vielleicht das stärkste Argument für den Trump-Plan, der eigentlich von seinem Schwiegersohn Jared Kushner erdacht wurde: Der Versuch, neue Wege in diesem ewigen Konflikt um einen schmalen Landstrich am östlichsten Rande des Mittelmeers zu beschreiten, wo fast jeder Quadratmeter Boden historisch und religiös aufgeladen ist wie nirgendwo sonst.

Trumps Zugang entspricht dem Bild des abschlussorientierten Businessmans, den er so gerne verkörpert. In dieser Welt werden Nachteile mit Geld aufgewogen, weil Geld einfach jede Ungleichheit auszugleichen imstande ist. Das mag für die allermeisten modernen Interessengegensätze auch tatsächlich stimmen; man kennt das ja aus dem Wirtschafts- und Privatleben, wo Geld das Mittel zum Zweck ist, um Benachteiligungen und Ungerechtigkeiten wenn schon nicht ungeschehen, so doch vielleicht für die Unterlegenen erträglich zu machen.

Ob das in diesem hoch aufgeladenen Konflikt auch gelingt, darf allerdings bezweifelt werden. Identität, Geschichte und Glauben lassen sich Menschen, denen diese Dimensionen ihres Lebens wichtig sind, wohl kaum in Dollars aufwiegen, selbst wen es sich um 50 Milliarden handelt. Und trotzdem liegt in jedem neuen Anlauf, den Nahost-Konflikt einer Lösung näherzubringen, die Chance auf einen Durchbruch. Auch wenn es noch so unwahrscheinlich scheint.