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Es lebe der Unterschied!

Von Judith Belfkih

Leitartikel

Frauen und Männer werden nie gleich sein - das ist die gute Nachricht.


Frauen und Männer sind nicht gleich. Sie waren es nie und werden es nie sein. Das ist auch am Frauentag die gute Nachricht. Nichts ist öder als absolute Gleichheit. Alle wären wir ärmer ohne den jeweils anderen Pol, die andere Perspektive, den erhellenden Kontrastpunkt zu uns selbst.

Frauen und Männer sind nicht gleich, aber sie sind gleich viel wert. Was ihr Recht auf ein Leben in Würde, frei von Armut und Angst, frei von Gewalt und Unterdrückung anbelangt. Und in ihrem Recht auf ein selbstbestimmtes Leben - inklusive der Entscheidung für oder gegen Karriere und für oder gegen eine Familiengründung.

Dass Frauen und Männer gleich viel wert sind, stößt in der Theorie auf wenig Widerspruch. In der Praxis ist es nach wie vor eher Forderung als Feststellung. Frauen sind auch 2020 noch immer stärker von Altersarmut betroffen, verrichten den Großteil unbezahlter Arbeit, kommen seltener in Führungspositionen, verdienen weniger und sind deutlich öfter Opfer von Gewalt. Von schwer messbaren Faktoren wie Sexismus ganz zu schweigen.

Die EU hat gerade eine Strategie für die Gleichstellung von Mann und Frau verabschiedet. Wir können es uns als Gesellschaft schlicht nicht leisten, nur die Hälfte unserer Kompetenzen, unserer Ideen, nur die Hälfte unserer Energie und unseres Potenzials einzusetzen, begründet EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen diesen Schritt. Konkret setzt die EU-Kommission auf Gehältertransparenz und will bis 2024 Geschlechterparität auf allen Führungsebenen erreichen.

Gleichberechtigung fängt beim Geld an, diese Erkenntnis zeigt der EU-Maßnahmenkatalog. Denn die Gehaltsschere löst im Leben von Frauen nach wie vor zahllose diskriminierende Folgeprobleme aus: Auf Karenzen, die wegen Einkommensunterschieden nicht geteilt werden, folgt die Teilzeitfalle, in der sich viele Frauen wiederfinden; diese wiederum lässt Karrieren früh enden, was später zu mageren Pensionen führt. Geringere monetäre Wertschätzung demotiviert und nagt am Selbstwertgefühl, was Karrierechancen massiv reduziert. Auch Gewalt gegen Frauen ließe sich durch geringere finanzielle Abhängigkeiten von ihren Partnern reduzieren. Ob die Strategie der EU Wirkung zeigt, hängt davon ab, ob sie in ihren Staaten fortgesetzt wird. Ein wichtiges Signal ist sie jedenfalls.

Frauen und Männer sind nicht gleich, aber gleich viel wert. Dabei geht es einmal um Gleichheit, das andere Mal um Gleichwertigkeit. Im ersten Fall ist der Unterschied zwischen Frauen und Männern willkommene Bereicherung, im zweiten Fall ist er eine ungemeine Bürde, die zwischen viel zu vielen Frauen und einem selbstbestimmten Leben steht.