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Viren-Kontrolle

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Diese Pandemie wird massive Folgen für das künftige Reisen haben.


Stefan Zweig hat einmal vom ungläubigen Staunen der Jugend in der Zwischenkriegszeit berichtet, wenn er dieser von seinen Pass-losen Reisen quer durch Europa und über den Atlantik in der Ära vor dem Großen Krieg 1914 erzählte. Tatsächlich waren staatlich anerkannte Personaldokumente dann für den Rest des 20. Jahrhunderts dann Pflicht. Erst die Schengener Abkommen haben wenigstens für Europa wieder eine - wenngleich oft ausgesetzte - Perspektive für eine grenzüberschreitende Fortbewegung ohne Identitätsausweis entwickelt.

Es kann gut sein, dass - wie der Vorstand des Wiener Flughafens in einem Interview mit der "Wiener Zeitung" sagt - wenig und schon gar nicht die Erfahrungen mit bisherigen Krisen dafür sprechen, dass sich das Reiseverhalten aufgrund der Corona-Pandemie grundlegend verändert. Aber alle bisherigen Erfahrungen im Umgang mit Bedrohungen der nationalen Sicherheit führen zu dem Schluss, dass nach Bewältigung dieser Krise persönliche Gesundheitsinformationen von Reisenden einen neuen Stellenwert haben werden.

Die Wucht, mit der das Coronavirus Sars-CoV-2 über alle Länder gekommen ist, hat den Staaten, die dazu logistisch und finanziell in der Lage sind, die Augen für eine Gefahr geöffnet, die sich jederzeit wiederholen kann - und mit großer Sicherheit auch irgendwann wiederholen wird. Und so, wie die Staaten auf die Welle an terroristischen Attentaten und im Gleichschritt der technischen Möglichkeiten mit der biometrischen Erfassung der reisewilligen Bürger reagiert haben, so wird es künftig zu einer virologischen Form von Reiskontrolle kommen. Und wenn es die technischen Möglichkeiten erlauben, gerne standardmäßig. Wer sich die gegenwärtigen gigantischen Krisenkosten ansieht, wird nicht wirklich glauben, dass sich die Staaten aus Kostenüberlegungen davon abhalten lassen.

Was diese Entwicklung für das Schutzrecht der Bürger vor allzu umfassender staatlicher Überwachung bedeutet, steht aus heutiger Sicht völlig in den Sternen. Immerhin kennen wir alle seit nunmehr vier Wochen den sozialen und wirtschaftlichen Preis für ein Handeln im Nachhinein. Offen ist dagegen die Frage, welche Freiheiten wir bereit sind aufzugeben, um vorbeugend die Wiederholung einer solchen Krise zu verhindern. Wer da jetzt schon alles weiß, ist zu bewundern.

Dabei tickt hier die Uhr. Nach ersten Improvisationen wird es langfristige Regelungen geben. Als Erstes werden wohl ostasiatische Staaten und die USA bei der virologischen Kontrolle von Reisenden vorpreschen. Dann wird man sehen, ob Europa überhaupt die Wahl hat, eigene Wege zu gehen.