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Das Ende einer Weltmacht?

Von Thomas Seifert

Leitartikel

Das neue Motto im Tourismus: Solidität, nicht Superlative.


Österreich ist eine Tourismus-Weltmacht: 144 Millionen Nächtigungen, 60 Milliarden Euro Wertschöpfung. Dass Österreichs Leistungsbilanzsaldo seit dem Jahr 2002 beständig im positiven Bereich liegt, ist nicht zuletzt diesem Wirtschaftssektor (15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) zu verdanken. Der Tourismus ist zudem eine gigantische Jobmaschine: Fast ein Fünftel der Arbeitskräfte sind in dieser Dienstleistungssparte tätig.

Somit nimmt es nicht wunder, dass den Touristikern Superlative leicht von der Zunge gehen. Oder besser gesagt: gingen. Denn im Tourismus sind die fetten Jahre fürs Erste vorbei.

Die Wintersaison endete abrupt (und hätte wohl besser noch zwei, drei Wochen früher beendet werden müssen), und auch die Sommersaison ist verhagelt.

Zuletzt hat der deutsche Außenminister Heiko Maas die Hoffnungen, die Bundeskanzler Sebastian Kurz bei den Touristikern genährt hatte, gedämpft: Ob die deutschen Gäste nach Österreich kommen können, ist nämlich völlig unklar. "Was ein Infektionscluster in einem beliebten Urlaubsgebiet in den Heimatländern der Touristen anrichten kann, haben wir bereits erlebt. Das darf sich nicht wiederholen", betonte Maas und meinte dabei Ischgl. In der EU seien gemeinsame Kriterien für einen Weg zurück zur Reisefreiheit gefragt - "so schnell wie möglich, aber so verantwortlich wie nötig", sagte der deutsche Außenminister. Sein österreichischer Amtskollege Alexander Schallenberg sagte, dass Österreich gemeinsam mit den Partnerländern und in Abstimmung mit der EU daran arbeiten werde, wie "ein behutsames Hochfahren des Sommertourismus wieder möglich sein könnte".

Mit Ischgl geht nun der Ballermann-Après-Ski-Tourismus mit Schneekanonen-Regimentern, Landschaftszerstörung, verschandelten Dörfern und völligem Ausverkauf ganzer Täler krachend bankrott.

Wie gut, dass Österreich mehr zu bieten hat als Halli-Galli: Romantik-Urlaub auf dem Bauernhof in Osttirol oder Kärnten, erholsame Sommerfrische im Waldviertel, ein nettes Gasthaus an einem verträumten See in Oberösterreich oder der Steiermark, eine Wanderung zum malerischen Tappenkarsee im Pongau, eine Radtour rund um den Zicksee oder eine Skitour am atemberaubenden Silvretta - das klingt nicht nur in Corona-Zeiten verführerischer als Massenabspeisung, Après-Ski-Wahnsinn oder Riesenskischaukel nach dem Ischgl-Motto: "Relax - if you can."

Der Tourismus wird sich auch in Österreich neu erfinden müssen: Nachhaltigkeit wird dabei ebenso gefragt sein wie persönlicher Service und eine respektvolle Beziehung zwischen Gastgeber, Gast und den Arbeitnehmern im Tourismus.

Nun lautet das neue Motto: Solidität statt Superlative.