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Die Stimmung passt nicht

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Damit die Wirtschaft in Gang kommt, braucht es Zuversicht. Die fehlt aber noch.


Wenn stimmt, was Ludwig Erhard, einer der Säulenheiligen der Idee des europäischen Sozialstaatsmodells, einmal gesagt hat, dass nämlich Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie sei, dann dürfte sich dieser Wert gerade in Richtung 90 Prozent verschieben. Und dies trotz eines 38-Milliarden-Euro-Hilfspakets, zu dem sich nun auch noch ein 500-Millionen-Euro-Survival-Kit für die Gastronomie gesellt.

In einem Moment, wo sich Regierungen querbeet daranmachen, die Wirtschaft schrittweise wieder hochzufahren, wird es auf die Zukunftszuversicht der Menschen ankommen, ob der Wirtschaftskreislauf wieder in Gang kommt - und sich die Hoffnung auf eine V-Rezession (auf einen tiefen Einbruch erfolgte eine ebenso steile Erholung) wirklich einstellt.

Wie aber injiziert man eine ordentliche Dosis Zuversicht in das bei den allermeisten Menschen zerrüttete Nervengerüst? Zuallererst durch entsprechendes Handeln, das heißt durch sinnvoll konzipierte und schnell wirksame Hilfspakete. Aber damit all die Milliarden wirken, braucht es die richtige Stimmung, die wiederum maßgeblich vom Ton mitbestimmt wird, den die Verantwortlichen anschlagen.

In Österreich erwies sich Türkis-Grün als Meister der "Hammer"-Rhetorik - zu meisterhaft, wie manche bemängeln - des wochenlangen harten Lockdowns. Schwerer fällt es ihr, die ebenso notwendige Begleitmusik für die nun wohl Monate dauernde Phase des "Tanzes" anzustimmen, in der die Wirtschaft wieder aufsperrt.

Vorsicht angesichts der Gefahr einer zweiten Infektionswelle ist dabei die von der Regierung kommunizierte Botschaft des Moments. Nur ist Vorsicht Gift für jene Form von konsumfreudiger Zuversicht, die die Wirtschaft jetzt so dringend benötigt. Diesen Widerspruch kann im Kern keine Strategie wirklich auflösen, wobei das für alle Zielkonflikte gilt. Die Politik hat sich dafür längst ein Arsenal an rhetorischen Kniffen und symbolischen Gesten zugelegt. Nur für die Corona-Krise fehlt es dafür noch an der richtigen Balance.

Zwar hat Türkis-Grün, allen voran der Kanzler, die Rede von der "neuen Normalität", die den Hammerschlag begleitete, nunmehr eingestellt. Diese Formulierung verbreitete zuletzt mehr Unsicherheit, als sie Vertrauen in das Handeln der Regierung stiftete. Jetzt sollte sich die Koalition fragen, ob nicht auch noch andere Bereiche ihrer für den Lockdown so erfolgreichen Kommunikation für die neue Phase adaptiert werden sollten; schließlich könnten demnächst die ersten Bundesländer ohne Corona-Kranke sein. Der unheimliche Aufmarsch in Masken zu Beginn von Pressekonferenzen oder eine unangebrachte Dramatisierung der Lage in Wien wären zwei Beispiele.