Zum Hauptinhalt springen

Folgen von "Ibiza", Teil II

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

Ein Jahr nach "Ibiza" ist Strache zurück - und die unabhängigen Medien stecken in einer Existenzkrise.


Man kann nicht sagen, dass der Jahrestag der Veröffentlichung des "Ibiza"-Videos für den ehemaligen Hauptdarsteller schlecht gelaufen wäre: Heinz-Christian Strache fand sein Bild auf dem Sonntagscover der "Krone", er war Gast in der abendlichen Talkrunde des ORF, und auch sonst war der gefallene Vizekanzler und FPÖ-Obmann in sämtlichen Medien und auf allen Kanälen - auch in der "Wiener Zeitung".

Ob es Strache schwer getroffen hat, wie ausnahmslos alle hart über ihn geurteilt und ihm die moralische Eignung zum politischen Verantwortungsträger abgesprochen haben, ist nicht überliefert. Höchstens ein klein wenig; viel wichtiger wird ihm gewesen sein, dass alle immer noch über ihn und sehr viele wieder mit ihm reden. Was da gesagt wird, muss ihn nach bekannter postmoderner Medientheorien nicht wirklich kümmern: Hauptsache zurück in den Schlagzeilen! Und die Folgen der Corona-Pandemie mit neuer Massenarbeitslosigkeit und Pleitwellen versorgt womöglich ausgerechnet die abgehalfterten Dem-Volk-nach-dem-Mund-Gröler mit neuer politischer Energie.

Im Vergleich dazu ist in den vergangenen zwölf Monaten das wirtschaftliche Fundament der unabhängigen Medien sehr viel schneller gealtert. Was die Digitalisierung schleichend, aber hartnäckig erledigt hat, beschleunigt die Pandemie im "Warp-Tempo", um es mit Donald Trump zu formulieren. Ausgerechnet in einer Zeit, in der Nachfrage und Bedarf nach verlässlichen Informationen und kritischer Auseinandersetzung hoch wie nie sind, gerät die wirtschaftliche Situation der Medienhäuser in eine immer steilere Schieflage.

Die Ursachen sind vielfältig und sprengen den hier zur Verfügung stehenden Rahmen. Etliche davon sind durchaus hausgemacht, andere internationalen Trends geschuldet. Im Resultat führen sie in Summe dazu, dass immer weniger Journalisten immer mehr Kommunikatoren und Content-Produzenten in Politik und Wirtschaft gegenüberstehen. Konzerne wie Parteien und Behörden investieren enorme Ressourcen, eigene und von traditionellen Medien möglichst unabhängige Kommunikationsstrukturen und Kanäle zu ihren Kunden und Stakeholdern aufzubauen.

Diese Entwicklung verändert unsere bisher gekannte Öffentlichkeit von Grund auf. Die neue Normalität droht zu keiner guten für die unabhängigen Medien zu werden. Und das hat auch, aber nicht nur mit dem Coronavirus zu tun. Die Bilanz des ersten Jahres nach "Ibiza" ist verwirrend: Strache ist zurück, während die Medien ums Überleben kämpfen.